Eustace Lycett
Eustace Arden[1] Lycett (* 21. Dezember 1914 in Stoke-on-Trent, Staffordshire; † 16. November 2006 in Fullerton, Kalifornien) war ein britischer Spezialeffekt-Künstler und zweifacher Oscar-Preisträger, der 43 Jahre lang für die Walt Disney Studios gearbeitet hat. Zusammen mit Ub Iwerks (1901–1970) zählt er zu den bedeutendsten Persönlichkeiten seines Fachs. Seine Arbeit, begonnen 1937 mit der Multiplane-Kamera, die er als Assistent von Iwerks weiterentwickelte, bis zu Bruchlandung im Paradies 1980, machte ihn zu einer der prägendsten Personen in der Geschichte von Disney. Nach dem Abschied von Ub Iwerks gestaltete er zusammen mit Peter Ellenshaw (1913–2007) ab den Fünfzigerjahren die technische Entwicklung in den Spielfilmen. Zu den bekanntesten Werken, an denen er mitwirkte, gehören 20.000 Meilen unter dem Meer (1954), Mary Poppins (1964) und Das schwarze Loch (1979). Für Mary Poppins und Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett (1971) erhielt er einen Academy Award, genauso wie 1960 für die Entwicklung der Multiplane-Kamera. Eustace Lycett, der drei Tage nach dem Abschluss seines Studiums bei Walt Disney angefangen hatte, arbeitete bis 1979 ausschließlich für dessen Studio, bevor er anschließend in den Ruhestand trat. Neben seiner Arbeit am Film arbeitete er auch an zahlreichen Attraktionen des Disneyland Parks in Anaheim. Nachdem es um ihn in den letzten Jahren seines Lebens ruhig geworden war, wurde sein Tod am 16. November 2006 in einem Altenheim in Fullerton erst am 14. März 2007 bekannt. Eustace Lycett ist der bis jetzt einzige Doppelpreisträger eines Oscars aus der Pionierzeit der Disney-Studios, der bis jetzt nicht zu einer Disney Legend ernannt wurde.
Biographie[Bearbeiten]
Frühe Jahre[Bearbeiten]
Eustace Arden Lycett wurde am 21. Dezember 1914 in Stoke-on-Trent, England geboren. Seine Elter waren Martha Constance Walley und William Arden Lycett, letzterer arbeitete als Bergbauingenieur, was die Familie dazu zwang, schon kurz nach der Geburt Eustaces nach Chile zu ziehen, wo er eine solche beaufsichtigen sollte. So wuchs Lycett die ersten acht Jahre seines Lebens in Südamerika auf, bevor die Familie Anfang der Zwanzigerjahre wieder nach Großbritannien zurückkehrte. Dort verbrachte er die kommenden Jahre in einem Internat, bis die Familie im Jahr 1929 in die USA immigrierte und in Kalifornien eine neue Heimat fand. Von seinen Geschwistern lebt heute nur noch Nora Robertson, die in Carlsbad lebt. In Kalifornien studierte er ab Mitte der Dreißigerjahre Maschinenbauwesen am California Institute of Technology in Pasadena, besser bekannt als „Caltech“. Sein Ziel war es, nach dem Studium einen Beruf im boomenden Flugzeugbau oder der Erdöl-Industrie aufzugreifen, an eine Karriere beim Film habe er nach eigener Aussage nie gedacht. Trotzdem stimmte er zu, als ihm drei Tage nach seinem Abschluss 1937 angeboten wurde, für eine technische Abteilung der Walt Disney Studios zu arbeiten. Dort sollte er als Assistent von Ub Iwerks fungieren und ihm helfen, die Multiplane-Kamera weiter zu entwickeln.
Arbeit für Disney[Bearbeiten]
Nachdem Eustace Lycett zu Disney gekommen war, entwickelte er zusammen mit Ub Iwerks die Multiplane-Kamera weiter, die es ermöglichte, 3D-Hintergründe realistischer erscheinen zu lassen. Iwerks hatte die Kamera bereits 1933 gebaut, das neue Team, zu dem auch Lycett gehörte, entwickelte sie aber wesentlich weiter. Obwohl er zu Disney gekommen war, um Kamera-Equipment zu verbessern, verlagerte er sich nach und nach auch in andere Bereiche und arbeitete beispielsweise an visuellen Effekten. Als Assistent von Ub Iwerks wirkte er auch in den Vierzigerjahren, unter anderem an Filmen wie Onkel Remus' Wunderland. Erst als Iwerks 1953 die Abteilung verließ, deren Kopf er gewesen war, wurde Eustace Lycett sein Nachfolger als Chef des Special Processes Department bei Disney. Nur fünf Jahre später wurde er auch zum Leiter des Photographic Effects Department, so arbeitete er ab 1958 auch mit Peter Ellenshaw zusammen, dem führenden Matte-Painter des Studios.
- „Walt Disney knew when a film was right. At night, he'd come look over storyboards; we knew better than to leave anything on our desk. And when he got older, he respected us technicians more and more. We were the necessary evil.”
- Eustace Lycett, 1995
Im Jahr 1960 erhielt Eustace Lycett zusammen mit Ub Iwerks den Technical Achievement Award der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, zusammen mit einigen anderen Entwicklern aus dem Team der Dreißigerjahre. Seit Richard Fleischers 20.000 Meilen unter dem Meer arbeitete er an großen Disney-Realfilmen, was ihm bis dato aber keinen Preis eingebracht hatte. Seit jedoch Regisseur Robert Stevenson erste Projekte für Disney gedreht hatte, arbeitete auch Eustace Lycett mit ihm zusammen. So erhielt er für den 1961 abgedrehten Film Der fliegende Pauker 1962 eine erste Nominierung für den Oscar der Kategorie „Beste Spezialeffekte“, er ging jedoch leer aus. Aber Lycett musste nicht lange warten, bis sich mit Mary Poppins nur drei Jahre darauf abermals die Chance ergab, eines der begehrten Goldmännchen zu gewinnen. Tatsächlich gewann er den Oscar, zusammen mit Hamilton Luske und Peter Ellenshaw, der die Hintergründe des Films gemalt hatte, Lycetts Aufgabe war es gewesen, diese technisch umzusetzen.
In den darauffolgenden Jahren war er als Leiter der wichtigsten Spezialeffekt-Abteilung bei Disney für zahlreiche erfolgreiche Filme des Studios mitverantwortlich, wie Ein toller Käfer und Käpt'n Blackbeards Spuk-Kaschemme, die beide 1968 Premiere feierten. Nach dem Tod Ub Iwerks' 1971 wurde er endgültig die wichtigste Person bei Disney, was Technik und Effekte anging. Zur gleichen Zeit brachte ihm Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett den zweiten Oscar ein, ebenfalls im Bereich des Mischfilms, bei dem Zeichentrick- und Realfilm möglichst täuschend echt in einander übergehen. Nach dem Tod Walt Disneys hatte sich sein „kreatives Gegenüber“, Peter Ellenshaw jedoch weitgehend zurückgezogen, so dass er sich in den folgenden Jahren wieder mehr seinem angestammten Gebiet zuwandte. Mit Elliot, das Schmunzelmonster arbeitete er 1977 zum letzten mal an einem Mischfilm, bevor er zusammen mit Ellenshaw und seinem Sohn, Harrison Ellenshaw Das schwarze Loch mitentwickelte. Erneut wurde er für einen Oscar nominiert, ging aber leer. aus.
- „He [Walt Disney] was a taskmaster, and we knew not to cross him. But after sitting with him for a half-hour, you were caught up in his enthusiasm.”
- Eustace Lycett, 1995
1980 verabschiedete sich Eustace Lycett in den Ruhestand, nachdem er seinen letzten Film, Bruchlandung im Paradies bearbeitet hatte. Im Gegensatz zu Peter Ellenshaw wurde er auch später nicht mehr für Disney aktiv und hielt sich im Hintergrund, auch bei öffentlichen Veranstaltungen.
Privat und letzte Jahre[Bearbeiten]
Im gleichen Jahr, als er bei Walt Disney anfing, heiratete er Mary Ethel. Er war mit ihr ab 1937 verheiratet, bis sie im Jahr 2004 verstarb – nach 67 Jahren Ehe. Mit ihr hatte er vier Söhne, William, Toy, Victor und Kenneth, der älteste, der nahe am späteren Pflegeheim seines Vaters in Fullerton lebte. Victor lebt in Anaheim, dem Standort des Disneyland Parks. Dazu hatte Eustace Lycett acht Enkel und fünfzehn Urenkel[2]. Nach Lycetts Abschied von Disney war es ruhig um ihn geworden, so ruhig, dass sein Tod erst fünf Monate später, am 14. März 2007 durch Variety bekannt wurde. Der zweifache Oscarpreisträger Eustace Lycett wurde bis dato auch nicht mit einer Auszeichnung bei der Verleihung der Disney Legends beehrt, was für mehr öffentliches Interesse gesorgt hätte. So starb Eustace Lycett im Umfeld seiner Familie am 16. November 2006 im Alter von 91 Jahren, wenige Wochen vor seinem Geburtstag in einem Pflegeheim in Fullerton, Kalifornien, an den Folgen allgemeiner Altersschwäche und damit in Verbindung stehenden Krankheiten.
Filmographie (Auswahl)[Bearbeiten]
Zwar arbeitete Eustace Lycett schon ab den Dreißigerjahren für Disney-Filme, das wurde aber erst ab den Fünfzigerjahren festgehalten. So ist eine technische Beteilung Lycetts an den Walt Disney Meisterwerken nach Schneewittchen und die sieben Zwerge im Jahr 1937 anzunehmen, ebenso wie an zahlreichen anderen Zeichentrickfilmen. Tatsächlich lassen sich seine Beteiligungen erst ab 20.000 Meilen unter dem Meer (1954) wirklich belegen. Sämtliche filmliche Aktivität von Eustace Lycett tätigte er bei Disney, von den Jahren 1937 bis 1980 war er angestellt. In der Auswahl sind ausschließlich Spiel- und Zeichentrickfilme enthalten. Lycett arbeitete in erster Linie an Spezial- und photooptischen Effekten.
- 20.000 Meilen unter dem Meer, 1954, Regie von Richard Fleischer
- Dornröschen, 1959, Regie von Clyde Geronimi
- Der unheimliche Zotti, 1959, Regie von Charles Barton
- Das Geheimnis der verwunschenen Höhle, 1959, Regie von Robert Stevenson
- 101 Dalmatiner, 1961, Regie von Clyde Geronimi und Hamilton Luske
- Der fliegende Pauker, 1961, Regie von Robert Stevenson
- Champagner in Paris, 1962, Regie von James Neilson
- Der Pauker kann's nicht lassen, 1963, Regie von Robert Stevenson
- Mary Poppins, 1964, Regie von Robert Stevenson
- Eine Uni voller Affen, 1965, Regie von Robert Stevenson
- Scrooge McDuck and Money, 1967, Regie von Hamilton Luske
- Der glücklichste Millionär, 1967, Regie von Norman Tokar
- Käpt'n Blackbeards Spuk-Kaschemme, 1968, Regie von Robert Stevenson
- Ein toller Käfer, 1968, Regie von Robert Stevenson
- Die Millionen-Dollar-Ente, 1971, Regie von Vincent McEveety
- Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett, 1971, Regie von Robert Stevenson
- Herbie groß in Fahrt, 1974, Regie von Robert Stevenson
- Der Goldschatz der Matecumbe, 1976, Regie von Vincent McEveety
- Zotti, das Urviech, 1976, Regie von Robert Stevenson
- Elliot, das Schmunzelmonster, 1977, Regie von Don Chaffey
- Das schwarze Loch, 1979, Regie von Gary Nelson
- Bruchlandung im Paradies, 1980, Regie von Charles Jarrott
Auszeichnungen[Bearbeiten]
- 1960: Technical Achievement Award der Academy of Motion Picture Arts and Sciences für die Entwicklung der Multiplane-Kamera (1937, zusammen mit Ub Iwerks)
- 1962: Oscar-Nominierung in der Kategorie „Beste Spezialeffekte“[3] für Der fliegende Pauker (1961, zusammen mit Robert Matty)
- 1965: Oscar in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“ für Mary Poppins (1964, zusammen mit Peter Ellenshaw und Hamilton Luske)
- 1972: Oscar in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“ für Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett (1971, zusammen mit Alan Maley und Danny Lee)
- 1980: Oscar-Nominierung in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“ für Das schwarze Loch (1979, zusammen mit Peter und Harrison Ellenshaw, Art Cruickshank, Danny Lee und Joe Hale)