LTB 57: Rezension: Unterschied zwischen den Versionen

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== Cover ==
== Cover ==

Version vom 27. März 2024, 17:52 Uhr

© Egmont Ehapa
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In diesem Artikel wird das LTB 57 rezensiert. Ist dieser Band einen Kauf wert oder sollte er lieber im Kiosk stehen bleiben? Du weißt es nicht? Dann lies das! Einen neutralen enzyklopädischen Artikel findest du unter LTB 57.

Jeder kann hier seine persönliche Meinung zu den in LTB 57 erschienenen Geschichten verfassen. Eine Unterschrift unter jedem Kommentar ist erwünscht (einzufügen mit ~~~~). Die Geschichten können mit Highlight Highlight, Gut Gut, Mittelmaß Mittelmaß oder Schlecht Schlecht bewertet werden. Bei der Bewertung sollten Zeichnungen, Plot und Übersetzungen mit einbezogen werden. Eine genaue Anleitung zum Verfassen einer Rezension findest du hier. Viel Spaß!

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Cover

Highlight Ja, was ist denn da los? Der sonst so souveräne Phantomias in wilder Flucht wie ein aufgescheuchtes Huhn? Von hinten kommt nämlich eine andere maskierte Gestalt in Superheldenkostüm und wehenden Umhang auf schnittigem Hippie-Motorrad angebraust…

Ein klasse Cover, gestaltet von Giancarlo Gatti. Vor dem gelben Hintergrund kommen sowohl die Figuren als auch der violette Schriftzug gut zur Geltung. Es wird gut auf den Antagonismus, der den Inhalt dieses Bandes prägt, vorausgedeutet. Der intelligente Leser wird die unbekannte Figur gleich mit dem Namen „Phantomime“ im Titel assoziiert haben. Übrigens wird erstmals seit dem „Kolumbusfalter“ (LTB 1) ein Band nach einer darin enthaltenen Geschichte benannt (was in den 100er-Bänden eher die Regel wurde). Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)

Rahmengeschichte

Schlecht Die Anfangssequenz – Donald wird von den Fieselschweiflingen gefilzt – ist ganz amüsant. In der Mitte des Bandes wird es dafür ganz furchtbar: Donald rächt sich an Daisy, die ihn in den Phantomime-Geschichten gedemütigt hatte, indem er eine hin- und herflitzende Spielzeugmaus bei ihr aussetzt, worauf sie – „Frauen sind eben so“ (Dussel) – panisch auf einen Stuhl springt und Donald alarmiert, dieser möge doch bitte die Maus hinausgeleiten. Sollte es das Ziel von Dalmasso/Perego gewesen sein, ein Dementi zu den vorangehenden, nicht eben emanzipationsunfreundlichen Phantomime-Geschichten zu verfassen, ist das jedenfalls so platt wie nur irgend möglich geraten. Die letzte Zwischenhandlung, in der Dagobert auf das Dreitürmekastell in jener Testamentseröffnung aufmerksam wird, die dann auch in der letzten Geschichte erwähnt wird, ist komplett unnötig, aber wenigstens nicht ganz so ärgerlich. Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)

Phantomime und der Ariadnefaden

„So! Von Stund an bin ich die Feministin Phantomime!“ (Daisy-Phantomime)

Highlight Kaum freut sich Donald auf ein paar Tage für sich alleine, da stürmt Daisy herein und will sich von Donald in ein schickes Restaurant ausführen lassen und mit ihm einen Schaufensterbummel machen. Da kommt es Donald durchaus zupass, dass sein Onkel Dagobert ihn zu sich zitiert. Daisy hängt sich an ihn und bekommt den neuesten Auftrag an Donald mit: Er soll in der Nacht Wache schieben, weil Dagobert einige Zeit außer Haus verbringen muss. Daisy wird zornig, als Dagobert und Donald beginnen, über Frauen herzuziehen. Sie sinnt auf Rache und wendet sich an ihre Freundin Genia Gans, die eine Boutique führt und überdies eine Erfinderin und Präsidentin der Feministinnen-Vereinigung ist. Sie verspricht, Daisy ein Superheldinnen-Kostüm zu nähen. Als dies gerade angeliefert wird, erkennt sie in einem vorbeifahrenden Sportwagen Donald mit einer attraktiven Blondine. Was sie noch nicht weiß: Die Blondine hatte eine Reifenpanne vorgetäuscht und Donald entführt. Sie gehört zu einer Bande, die hinter Dagoberts ausgelagertem Geld her ist, und zwingt Donald, ihr Zugang zum Geldspeicher zu verschaffen. Dort stiehlt sie aus einer Schreibtischschublade den Plan, der der Bande den Weg zum Geld weisen soll. Daisy, mittlerweile in Phantomime verwandelt, versteckt sich im Sportwagen und gelangt so mit der Blondine und Donald zum Hauptquartier der Bande, zu der noch zwei Männer gehören. Mithilfe ihrer Superhelden-Fähigkeiten befreit sie Donald, überwältigt die Bandenmitglieder und schnappt sich den Plan. Besondere Dienste erweist ihr ihre Kette, deren Perlen sie in dem labyrinthischen Gebäude ausstreut, um wieder den Weg zurückzufinden – der Ariadnefaden des Titels. Donald hat sich die ganze Zeit kleinlaut und ängstlich den Ansagen der geheimnisvollen Superheldin zu fügen. Auf dem im Sportwagen zurückgelegten Rückweg in die Stadt lässt Phantomime Donald mitten auf der Strecke sitzen – er muss kilometerweit in die Stadt zurücklaufen und schläft, endlich angekommen, über dem eigenen Gartenzaum ein. Er wird von Dagobert mit bitteren Vorwürfen geweckt – sein Geheimplan ist ja aus der Schreibtischschublade verschwunden, und richtig auf den Geldspeicher aufgepasst hat sein Neffe ja auch nicht. Daisy taucht auf und übergibt dem erleichterten Dagobert den Plan. „Eine hübsche junge Dame mit glitzernden Augen“ – also Phantomime – habe ihr den Plan zusammen mit einem Brief übergeben, in dem steht: „Liebe Daisy! Ich vertraue dir diesen wertvollen Plan an, weil nur du allein in der Lage bist, ihn zu bewachen! Phantomime!“ Das ist also die Geschichte von Daisys Rachefeldzug gegen die Männer…

So ganz wird in dieser Geschichte das Versprechen des Titels ja noch nicht eingelöst – Donald will zwar immer an sein Phantomias-Kostüm heran, das bei ihm zu Hause liegt, es gelingt ihm aber nicht, seine Entführer dazu zu bewegen, bei ihm vorbeizufahren. So trägt Phantomime in dieser Geschichte den Superheldenpart alleine. Es gibt da ein paar ganz schöne, von Genia Gans erfundene Gadgets, die einem Phantomias Ehre gemacht hätten: Gleitkufen an den Sohlen, Schlafpillen, Schlummerpuder, einen elastischen Gürtel, der jede Strickleiter überflüssig macht. Der Trick mit der „Ariadnekette“ dient in der Handlung auch als Beweis für die außerordentliche weibliche Intelligenz, mit der Dagoberts und Donalds Frauenfeindlichkeit – „Die mit ihrem Spatzengehirn!“ (S. 17) – dementiert werden muss. Auch wenn (oder gerade weil) in einem italienischen Comic gelegentlich überdick aufgetragen wird, ist diese 1973 erstmals in Italien erschienene Geschichte natürlich auch ein interessantes Zeitdokument zur populären Rezeption des europäischen Feminismus, der Anfang der Siebziger Jahre blühte. In Italien hatte etwa Mariarosa Dalla Costa 1971 zusammen mit anderen Frauen die Gruppe Lotta Femminista gegründet und 1972 den einflussreichen Text „Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft“ veröffentlicht. Zwar gab es die Figur Wonder Woman in den Comics schon seit 1941, doch erst ab den 1970er Jahren „kam es zu einer fast schon explosionsartigen Zunahme von weiblichen Hauptfiguren und Superheldinnen in diversen Comics“ (superhelden.org), und zweifelsohne war die Zeit deshalb auch schon reif für eine Superheldin im Duck-Universum. Wie Phantomias wurde auch Phantomime (italienisch: Paperinika) von Guido Martina erfunden, ihr erster Zeichner wurde aber Giorgio Cavazzano, der zuvor noch nichts mit Phantomias zu schaffen hatte (dessen erste Zeichner waren vielmehr G. B. Carpi, Romano Scarpa und Massimo de Vita). Obwohl man nicht wird sagen können, dass Martina/Cavazzano die Frauenemanzipation irgendwie denunzieren, hat zum Beispiel das Phantomime-Kostüm mit Perlenkette, Tropfenohrringen und top-modischer Divenbrille schon eine satirische Doppelbödigkeit. Ihre Schneiderin Genia Gans (im Original passender Genialina Edy Son und alles andere als ein anthropomorpher Wasservogel) ist eben nicht nur Erfinderin, sondern auch Inhaberin einer Boutique, also in einer weiblich konnotierten Branche tätig. Dennoch werden auch männliche Verhaltensweisen aufgespießt; mein Favorit ist die Fallhöhe vom solidarischen Miteinander Genias und Daisys im Sinne eines „female empowerment“ zum verkrampften, sinnbefreiten Herunterschlucken des Notizzettels, zu dem der patriarchale Machtmensch Dagobert seinen von ihm abhängigen Neffen verdonnert (S. 25). Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)

Phantomias gegen Phantomime

„Die Frau des Polizeipräsidenten hat es unter dem Siegel der Verschwiegenheit der Frau vom Bürgermeister erzählt und die wieder ihrer Ärztin…“ – „…also deiner Cousine!“ – „Genau! Also wissen es nur wir fünf Frauen !“ – „Und wir erzählen’s auch nicht weiter!“ (Daisy und Genia Gans ganz geheimniskrämerisch)

Gut Genia Gans führt Daisy ihre neueste Erfindung vor: ein täuschend-lebensechtes Daisy-Double mit integrierter Videokamera. Als sie Daisys Haus verlassen, platzieren sie das Double am Tisch, als würde Daisy dort Kreuzworträtsel lösen. Sie sind auf dem Weg ins Stadttheater, wo Daisy im Rahmen eines Feministinnenkongresses am Abend einen Vortrag über „die Überlegenheit des schwachen Geschlechtes“ hält. Zugegen sind auch Dagobert, Donald und Dussel, um in der Zeitung über die Veranstaltung zu berichten. Im Vortrag beginnt Daisy nun über Donald und Phantomias, diesen „Aufschneider“, herzuziehen. Donald ärgert sich so maßlos über Daisy, dass er mit Dussel einen Plan ausheckt: Letzterer soll sich als Phantomias verkleiden und Daisy entführen. Sodann wolle Donald sie befreien und ihr somit zeigen, dass er doch nicht so ein Nichtsnutz sei. Gegenüber Dussel gibt er vor, das Kostüm für den Fasching gekauft zu haben. Natürlich entführen die beiden das Double und schleppen es in das Haus der Dreierbande aus der vorigen Geschichte, nichtsahnend, dass die Gauner aus Mangel an Beweisen auf freien Fuß gesetzt worden sind und ihr Hauptquartier schon wieder bezogen haben. Dussel kann fliehen, doch Donald, der zuvor noch gewahr wird, dass er da eine Daisy-Puppe entführt hat, wird gefesselt und geknebelt. Genia und Daisy bemerken derweil das Verschwinden des Doubles, anders als Donald wissen sie aber davon, dass die Dreiergang freigelassen wurde. Daisy verwandelt sich nun in Phantomime und nimmt auf einem von Genia konstruierten Motorrad die Verfolgung auf. Sie verhilft Donald zur Flucht, lässt ihn aber zurück. Donald trifft wieder auf Dussel und hat nun eine neue Idee: Er fährt mit dem Dussel-Phantomias zu Dagobert, warnt ihn vor der Dreierbande und glaubt ihm nebenbei zu beweisen, dass er, Donald, selbst nicht Phantomias ist. Er stutzt nicht, als Dagobert erzählt, er selbst habe den Gaunern den Geheimplan mitgegeben, der sie zum Brunnen seiner alten Mühle am Breitenstein führen müsse. Nach dieser Aktion verabschiedet Donald Dussel nach Hause und verwandelt sich endlich selbst in Phantomias. Er holt mit seinem Spezialauto die Bande ein und überwältigt sie. Phantomime trifft etwas später ein. Sie nennt Phantomias einen „Dummkopf“: Über den Dieben wäre in dem Brunnen eine Falle zugeschnappt. Daisy bittet am nächsten Tag Dagobert, Donald und Dussel zu sich. Es wird für die beiden letzteren sehr unangenehm, denn sie spielt das Video der der Puppe integrierten Kamera vor, das sie der Entführung des Doubles überführt...

Nur vier Monate nach dem „Ariadnefaden“ veröffentlicht, spinnt diese Geschichte den angedeuteten Antagonismus zwischen Phantomias und Phantomime konsequent weiter. Sogar das Gaunertrio ist dasselbe und einige Motive – so wie Daisys geheime Identität selbst – werden beim Leser geradezu als bekannt vorausgesetzt. Der Feminismus von Daisy und Genia Gans nimmt nunmehr einen offiziellen, größeren Rahmen an, indem Daisy zu diesem Thema in Entenhausen bereits Vorträge hält. Klasse die Szene, in der die „Männer“ (Dagobert, Donald und Dussel) die von der Rednerin angesprochenen „Heldentaten“ im stolzen Selbstgefühl auf sich beziehen. Der Spannung ist es durchaus zuträglich, dass Martina/Cavazzano die direkte Begegnung der beiden Superhelden des Duck-Universums erst gegen Ende der Geschichte – und dann auch nur in sechs Panels – inszenieren. Geglückt ist auch, wie das „innere Auge“ des Daisy-Doubles, in der Eingangssequenz eingeführt, am Schluss die Übeltäter überführt: eine exquisite Klammer um diesen Plot! Gleichwohl ist seine Komplexität für meinen Geschmack auch ziemlich übertrieben. Neben der doch ziemlich drastischen Entführungsidee missfällt mir diese erzählerisch recht überflüssige Verwandlung Dussels in Phantomias: Der Effekt wäre doch glatt derselbe gewesen, wenn Donald als Phantomias Daisy entführt und dann einige Zeit später als Donald befreit hätte. Wie sonst hätte Donald Daisy retten sollen, ohne das Ansehen seines Alter Ego bei ihr und den Entenhausenern weiter zu beschädigen?... Nun gut, die feministische These von der weiblichen Überlegenheit wird ja durchaus befördert, wenn Donald etwas blöde und unbedacht handelt. Wie dem auch sei, bevorzuge ich nach längerem Nachdenken doch eher die erste, kürzere Geschichte, die wie ein Prolog zu „Phantomias gegen Phantomime“ daherkommt, in der aber alle Elemente, die in der zweiten wiederholt, ausgebaut und allzu verknotet werden, noch neu und überraschend waren. Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)

Phantomias und die schlafende Schöne

„Schluck! … Dass er mich enterbt, wenn ich das Haus nicht verlasse!“ (Donald hört ein Gespräch zwischen Dagobert und Klaas Klever ab)

Gut Durch Gustav Gans vermittelt, will Onkel Dagobert das Haus, in dem Donald wohnt, an Klaas Klever verkaufen, wodurch dieser hinausgeworfen würde. Im Gegenzug würde Klever seinem Rivalen ein wertvolles Bild überlassen – eben die "schlafende Schöne“ des Titels. Donald setzt Klever mit Betäubungsspray außer Gefecht und kreuzt mit dem Bild, das er über Klevers Bett findet, in der Verkleidung als Klaas Klever bei Onkel Dagobert auf. Dieser schöpft keinen Verdacht und händigt dem falschen Klever den Abtretungsvertrag des Hauses aus. Donald zerreißt ihn in tausend Fetzen und überantwortet diese dem Wind. Doch der dreht sich bald und zunächst gegen Donald: Der echte Klever, Dagobert und Gustav haben gleich Donald im Verdacht und überführen ihn, indem sie bei ihm die Klever-Maske finden. Im Eifer des Gefechts wird das Bild zerstört, doch das, so Klever, sei gar nicht schlimm: Das Original befinde sich eh im Safe seines Sommersitzes. Während Dagobert und Klever sich dorthin begeben, um das Geschäft im Nachfassen endlich in trockene Tücher zu bringen, hält Gustav vor Donalds Schlafzimmer Wache. Unbemerkt verwandelt sich Donald in Phantomias, dringt in Klevers Sommersitz ein und entwendet die echte „schlafende Schöne“ aus dem Stahlschrank. Klever und Dagobert erkennen vor Ort den Diebstahl und machen wieder kehrt, um Donald zur Rede zu stellen, den Gustav allerdings nicht aus den Augen gelassen und offenbar schlafend gesehen hat. Phantomias stellt sich den drei Gegnern Donalds entgegen, überlässt diesem das Bild sowie einen alten Zeitungsausschnitt: Das Bild war vor acht Jahren aus dem Entenhausener Kunstverein gestohlen und bald darauf unter der Hand weiterverkauft worden. Nicht nur Klever, sondern auch Gustav wussten offenbar davon. In wilder Flucht vor dem zornigen Dagobert stürzen alle drei aus dem Schlafzimmerfenster in einen Haufen Glasscherben, den sie vor dem Haus aufgeschüttet hatten, um ein Ausbüchsen Donalds zu verhindern. Noch während Donald und die Kinder auf den Antillen entspannen, lassen Dagobert, Gustav und Klever in einer Reha ihre Bürzel versorgen…

In dieser Phantomias-Rächergeschichte muss sich Donald gegen drei scheinbar übermächtige Gegner behaupten: Klever und Dagobert mit ihrem Reichtum und Gustav mit seinem Glück. Die Rachehandlung ist deshalb so gelungen, weil Donald von seinen Gegnern zum bloßen Objekt eines miesen Deals degradiert wird. Genug Grund für den Leser, mit Donald-Phantomias mitzufiebern! Das eindeutige Ende verschafft denn auch eine große Befriedigung… Erzählerisch (Guido Martina) und zeichnerisch (Massimo de Vita) ist die Geschichte solide konzipiert und durchgeführt, wenn auch lange nicht so spannend wie das folgende „Dreitürmekastell“. Ein wenig irritiert hat mich, dass Donald es offenbar nicht für nötig hält, sich zwecks Überwältigung Klaas Klevers in Phantomias zu verwandeln. Dabei ist es doch Teil dieses Arrangements, dass Donald bestimmte Dinge erst dann souverän beherrscht, wenn er als sein Superhelden-Alter-Ego auftritt. Für mich ist das ein Schnitzer im Skript! Der sicherlich interessanteste, wenn auch nur oberflächlich „angespielte“ Nebenaspekt dieser Geschichte ist die Bildende Kunst. Mit der „Schlafenden Schönen“, wörtlich aus dem italienischen „La bella addormentata“, spielen Martina und de Vita mit der italienischen Kunsttradition des liegenden Frauenaktes, ohne dass sich ein bestimmtes Gemälde (zum Beispiel die „Schlummernde Venus“ von Giorgione) eindeutig als Vorbild dingfest machen ließe. Seit 2020 hat Marco Gervasio einen Zyklus von Geschichten verfasst, welche den wechselnden Besitz des Bildes im Laufe der letzten 150 Jahre thematisieren. Die Hommage von Martina/de Vita an die italienische Renaissance, ihrerseits immerhin auch schon über 50 Jahre alt, hat also bereits ihre eigene schöne Hommage gefunden! Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)

Das Dreitürmekastell

„Ich hab‘ viel zu viel Glück zum Angsthaben!“ (Gustav Gans)

Highlight Onkel Dagobert hat an der Testamentseröffnung eines gewissen Paulus Pokus teilgenommen. Wer es schafft, eine Nacht in dem geheimnisumwobenen Dreitürmekastell vor den Toren Entenhausens zu verbringen, in dem es spuken soll, darf es erben. Dagobert plant, das Kastell zu einer Nobelherberge für Millionäre auszubauen. Übernachten soll darin aber sein Neffe Donald und es seinem Onkel daraufhin abtreten. Als Donald ablehnt, bei dem Plan mitzuspielen, droht Dagobert damit, ihn aus dem Haus zu werfen, für das er seit Jahren keine Miete mehr gezahlt hat. Mit einer seiner Privatbahnen, die fast bis zum Kastell fahren, macht er sich stattdessen mit Gustav auf den Weg, damit dieser dort die nämliche Nacht verbringt. Doch Donald tritt als Phantomias auf den Plan, entwendet die Lok und zwingt die beiden zum Rückzug. Ein Dia-Projektor, mit dem er einen überlebensgroßen Phantomias an den Himmel geworfen hat, enttarnt Donald als Übeltäter. Jetzt verliert Dagobert endgültig die Geduld und stellt einen Räumungsbefehl aus. Doch als er mit der Polizei anrückt, die diesen vollziehen soll, weist er keine Schrift mehr auf: Phantomias hatte sich in der Nacht in Dagoberts Villa geschlichen und den Schrieb „bearbeitet“. Dennoch wandert Donald wegen Widerstands gegen die Polizei ins Gefängnis. Es gelingt ihm aber, einige persönliche Dinge von zu Hause zu holen, unter anderem einen Zauberstift, mit dem er in der folgenden Nacht aus dem Gefängnis entkommt. Dagobert hat derweil für zahlendes Publikum und Ehrengäste mit dem Bürgermeister an der Spitze eine Ausflugsfahrt zum Dreitürmekastell organisiert, womit er zusätzlichen Profit aus Gustavs Übernachtung schlagen will. Doch Phantomias lässt es auf den Türmen des Kastells spuken, demütigt dabei Gustav, der zerknirscht den Abgang machen muss, und erscheint sodann den Schaulustigen höchstselbst auf den Zinnen. Er erreicht, dass der Bürgermeister ihm das Kastell als Erbe des Paulus Pokus anträgt und dass Dagobert seinem Schützling Donald die Schulden zu streichen verspricht. Phantomias schafft es zurück in die Zelle, wo er sich als Donald wieder schlafen legt, rechtzeitig bevor die Entenhausener vom Kastell zurückkehren, um Donald, den „nettesten Bürger von Entenhausen“, zu lobpreisen…

„Das Dreitürmekastell“, getextet von Guido Martina und gezeichnet von Massimo de Vita, ist zweifellos eine der besten frühen Phantomias-Rächergeschichten. Sie weist einige Ähnlichkeiten zu der zuvor abgedruckten „Schlafenden Schönen“ auf, ist aber zwei Monate früher im Jahr 1972 entstanden und insgesamt etwas „runder“ gelungen. Auch hier steht schon die Drohung Dagoberts im Raum, Donald und Tick, Trick und Track aus dem Haus zu werfen, womit sie ihre soziale Existenz verlieren würden. Die drohende neue Abhängigkeit zu ihrem Großonkel wird Tick, Trick und Track drastisch vor Augen geführt, als sie auf der „Ausflugsfahrt“ zum Kastell von ihm als billiges Personal ausgenutzt werden. Der Aspekt, dass mit dem Auszug wahrscheinlich auch die Identität Donalds mit Phantomias auffliegen würde, wird anders als in der „Schlafenden Schönen“ geschickt als weitere wichtige Motivation für Donald-Phantomias‘ Kampf gegen Dagobert eingeführt. Wenn man sich auf die Spur begibt, was diese Geschichte noch so stark macht, landet man unweigerlich bei den vielen tollen Auftritten Phantomias‘, bei denen auch unterschiedlichste technische Gadgets zum Einsatz kommen. Mir gefällt vor allem der Zauberstift, der Metall schmelzen und zusammenschweißen lässt. Dabei gibt es auch eine deutliche Steigerung in der Dramatik: Phantomias auf den Zinnen des Dreitürmekastells (S. 242-250) lässt in seiner Bildkraft noch einmal seine Entführung der Lok mit der bedrohlichen Dia-Projektion (S. 205-210) sowie sein Eindringen in die „Festung des Tyrannen“ (S. 216-222) hinter sich. Auf den letzten 17 Seiten jagt überhaupt ein Höhepunkt den nächsten, illustriert mit fünf großartigen großformatigen Panels von zuletzt geradezu epischer Wucht (S. 244, 248, 250). Gut gefällt mir hier auch die Rolle Gustavs, der als ebenbürtiger Gegenspieler aufgebaut wird und erst allmählich über mehrere Panels hinweg seinen Mut verliert und die Überlegenheit von Phantomias anerkennen muss. Prima ist auch der Triumph Donalds aus der Zelle heraus auf den allerletzten Seiten entwickelt, wodurch er auch endlich wieder die Anerkennung seiner Neffen erfährt: „Manchmal meinen wir sogar, daß du Phantomias bist!“ (S. 254) Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)

Fazit

Von der Rahmengeschichte abgesehen, handelt es sich hier um einen wahren LTB-„Prachtband“: vier gute bis sehr gute Comics. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte, die der Band erzählt. Die andere Wahrheit ist: Er ist ein Affront gegen die ganze Phantomias-Idee. Beziehungsweise die beiden ersten Geschichten sind es. War das Erscheinen von Phantomias nicht bislang immer eine Garantie dafür, dass Donald die Oberhand über seine Peiniger behält?... Und da schiebt sich plötzlich und nur ganz wenige Jahre nach der extrem erfolgreichen Phantomias-Innovation eine Daisy-Phantomime ins Bild, die Phantomias rüde entzaubert, wodurch Donald gedemütigter das Feld verlässt, als er es je durch Dagobert oder Gustav zu gewärtigen hatte, bevor er zu Phantomias wurde. Guido Martina und die Verantwortlichen bei Mondadori müssen das auch gespürt haben: So reizvoll die Idee der weiblichen Gegenspielerin zu Phantomias auch ist, so selten (bzw.: gar nicht mehr!) wurde in den Folgejahren auf sie zurückgegriffen – die brasilianischen Geschichten darf ich hier wohl mal außer Acht lassen. Und das ist weniger eine Zurückdrängung eines aufkeimenden Feminismus in der Redaktion als die Sorge um eine Beschädigung des Phantomias-Mythos.

Nachdrücklich will ich hier noch die Besprechung von LTB 57 im Rahmen der ohnehin großartigen ohnehin großartigen Video-Blog-Reihe „LTB-Duell“ empfehlen, die eine Fülle weiterer Analysen und Interpretationen bietet. Hobrowili (Diskussion) 16:37, 27. Mär. 2024 (CET)