Schneewittchen und die sieben Zwerge
Schneewittchen und die sieben Zwerge (Originaltitel: Snow White and the seven Dwarfs) ist das erste Walt Disney Meisterwerk und laut einigen Quellen auch der erste abendfüllende Zeichentrickfilm überhaupt. Grundlage für den Film ist das gleichnamige Märchen der Gebrüder Grimm. Seine Weltpremiere erlebte der Film am 21. Dezember 1937 und ab dem 8. Februar 1938 erschien er regulär in den amerikanischen Kinos.
Produktionsgeschichte
Die Produktionsgeschichte von Schneewittchen und die sieben Zwerge ist trotz des hohen Alters dieses Filmes sehr gut dokumentiert, was die Bedeutung von Disneys erstem Meisterwerk in der Geschichte des Films unterstreicht. Haupteinflüsse auf die Entscheidung, einen langen Zeichentrickfilm zu produzieren waren die Reaktionen auf Disneys bisherigen Werke und vor allem Walt Disneys Enthusiasmus, der dem Gespött seiner Hollywoodkollegen über diese "lächerliche Idee" Stand hielt.
Die aufwendige und energische Produktion
Schneewittchen und die sieben Zwerge artete in ein riesiges und schweres Unterfangen aus, erst recht für ein an sich kleines Studio, dessen bisherige Ergebnisse nicht einmal eine zweistellige Laufzeit erreichten. Zur Spitzenzeit arbeiteten 750 Künstler an "Schneewittchen und die sieben Zwerge", darunter 32 Hauptzeichner, 102 Aissistenzzeichner, 167 "Inbetweeners, 20 Layouter, 25 Hintergrundmaler, 65 Spezialeffektzeichner und 158 ausschließlich weibliche Tuscherinnen und Koloristinnen. Unbekannt ist die Anzahl der Tontechniker und den Technikern, die im Labor nachforschten, was die perfekte Methode ist um die Farben in der gewünschten Form auf die Leinwand zu bringen. Damals änderten sich die Farbtöne nämlich noch stark auf dem Weg von der eigentlichen Zeichnung zur Projektion im Kino. Bei dieser Forschung machten sich die experimentellen Silly Symphonys nützlich, in denen man nach Start der Schneewittchen-Produktion auch dunklere, natürlichere Farben ausprobierte um zu testen, welche Farben angenehmer für die Zuschauer seien. Disney wurde vorher nämlich gewarnt, dass niemand 80 Minuten lang die grellen Cartoon Farben aushalten würde.
Ein weiteres Problem war die große Anzahl der Spezialeffekte, da in einem Zeichentrickfilm alles, was sich bewegt aber keine Figur ist als Spezialeffekt anzusehen ist: Rauch, Wasser, Wolken, Staub und ähnliches musste von der Spezialeffektabteilung bearbeitet werden. Und von solchen Effekten wimmelte das Storyboard und auch der endgültige Film. Das gewaltige Projekt wurde besonders von den Layoutern, Chefzeichnern, dem Storyteam und Disney gestemmt, da diese jede Kamerabewegung, jeden Kamerawinkel, jede Platzierung der Beleuchtung und jede Handlung ausdiskutierten. Inspiration fanden sie auch bei damaligen Filmen (die Verfolgungsjagd zwischen den Zwergen und der Hexe ist an Griffiths Spielfilm "Intolerance" angelehnt) und Prominenten (der Prinz sollte wie der junge Douglas Fairbanks aussehen, Schneewittchen wie der damalige Star Janet Gaynor, das Pferd des Prinzen wie das Pferd des Westernstars Tom Mix und die Wutausbrüche der Königin entstanden nach der Studie von Charles Laughton in "The Barrets of Wimpole Street", während Harpo Marx als Gundlage für Seppls Charakter diente). Eine der ersten gemeinsamen Ideen betraf die Handlung des Films. Man entschied sich sehr früh dafür, mehr Augenmerk auf die Zwerge zu legen, als es die Gebrüder Grimm taten. Dies machte man, weil die Vergangenheit zeigte, dass lustige Nebenfiguren von Nöten seien (weshalb man dem ernsten Micky Maus die lustigen Figuren Goofy und Donald Duck gegenüberstellte).
Um die Kreativität der Künstler und die Atmosphäre im Studio zu perfektionieren entschied sich Walt Disney dagegen Zeituhren zu verwenden. Weder mussten die Zeichnungen in einer bestimmten Zeitspanne angefertigt werden, noch verlangte man eine Mindestanzahl von Zeichnungen pro Tag. Die Überstunden, die freiwillig gehalten wurden, entlohnte Walt Disney mit Prämien. Viel Arbeit steckten die Künstler vor allem in den Realismus der Zeichnungen und Bewegungen im Film, denn Schneewittchen sollte ein Spielfilm werden, kein Cartoon. So kommt es zu realistischen Hintergründen und dem real aussehenden Haus der Zwerge und auch zum erstmaligen Einsatz des Rotoscope-Verfahren bei den Disney-Studios. Mit der Rotoskopierung werden vorher aufgenommene Bewegungen von Schauspielern überzeichnet, um möglichst nahe an der Realität zu bleiben. Vor allem beim Prinzen kann man erkennen, dass dieses Verfahren genutzt wurde. Zuletzt sei über die Produktion erwähnt, dass die Disney Studios eine perfekt vorbereitete Pressekonferenz veranstalteten, was für sie eine Premiere war.
Rezeption und Erfolg
Ende 1937 war Schneewittchen und die sieben Zwerge schließlich reif fürs Kino, und zur großen Galapremiere in Hollywood am 21. Dezember 1937 entschloss man sich nur Hollywood Prominenz (und somit kein einziges Kind) einzuladen, darunter auch viele, die "Schneewittchen" vorab als Disney´s Folly schimpften. War Walt Disney vor der Aufführung noch so nervös, dass er bei seiner Ansprache die Namen der Zwerge vergaß, so konnte er nach der Aufführung sämtliche Nervosität vergessen: Das gesamte Theater bejubelte den Film in Standing Ovations und beglückwünschte Disney für seine bahnbrechende Leistung. Als der Film schließlich regulär aufgeführt wurde überschlugen sich die Kritiken in Lob. Sie feierten den Film als "perfekt" oder "besser als ein perfekter Traum" und sahen in ihm einen "Meilenstein der Filmgeschichte". Auch kommerziell wurde "Schneewittchen" ein Erfolg: Nach sechs Monaten spielte er 2 Millionen Dollar ein und am Ende seiner ersten Laufzeit belief sich diese Zahl sogar auf 8,5 Millionen Dollar. Somit wurde "Schneewittchen" zum damals erfolgreichsten Film aller Zeiten, bis er 1940 von Vom Winde verweht überholt wurde. Schneewittchen und die sieben Zwerge wurde in Nordamerika bis 1993 insgesamt 8 mal neu aufgeführt und wurde 1994 zum bestverkauften Video aller Zeiten (auch dieses Mal musste "Schneewittchen" kurz darauf den Titel abgeben, nun aber an einen Disney Film: 1995 wurde Der König der Löwen zum meist verkauften Video aller Zeiten) 1989 errechnete USA Today, dass Schneewittchen unter Berücksichtigung der Inflation und gestiegenen Eintrittspreisen 6 Milliarden Dollar einspielte.
Schneewittchens Platz in der Liste der erfolgreichsten Filme aller Zeiten ist unklar. Je nachdem wer die Berechnungen ausführt, und nach welchen Kriterien, landet der Film auf Platz 1, 3 oder 10 der inflationär erfolgreichsten Filme, wobei letztere Position am meisten erwähnt wird und dies auch von glaubwürdigeren Quellen.
Kontroversen
Kontroversen über den Titel "erster abendfüllender Zeichentrickfilm"
Einige hartnäckige Kritiker versuchen regelmäßig "Schneewittchen" den Titel des ersten abendfüllenden Zeichentrickfilms streitig zu machen. Zum einen wird regelmäßig Wladyslaw Starewiczs La Fontaines Fables erwähnt, obwohl dieser Film Puppentrickfilm verwendete, und nicht Zeichentrick. Max Fleischers Einstein´s Theory of Realitivity dagegen lief knapp 40 Minuten lang, weshalb die Frage, ob er abendfüllend ist auch eher zu bezweifeln ist. Andere Filmhistoriker berufen sich auf zwei ältere Filme aus Europa, die jedoch ohne Ton und in schwarz-weiß sein sollen. Beweisen kann dies jedoch niemand, da alle Kopien verloren sind. Letztendlich wird noch Die Abenteuer des Prinzen Achmed erwähnt, der jedoch nur aus Silhouetten besteht.
Kontroversen über Jugendschutz und Story
Auch wenn die Resonanz sehr positiv und überragend war, so gab es auch Reaktionen, die man heute wohl nicht mehr erwarten würde. So wurde Schneewittchen als Erwachsenenfilm angesehen und in manchen Ländern wurden Eltern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich ihre Kinder den Film, wenn überhaupt, nur in Begleitung Erwachsener ansehen sollten. In England regelten die Zensoren sogar, dass keine Kinder unter 16 Jahren den Film ohne erwachsene Begleitung sehen durften. Dies würde mit heutigen Freigaben verglichen also ein "R rating" in den USA bedeuten, eine Freigabe, die bislang keine Walt Disney Pictures Produktion erhielt (dafür aber Filme wie Fight Club, Terminator 2 und manche der Nightmare on Elm Street Filme). Da es diese Freigaben damals aber noch nicht gab und einige Jahre später die Sehgewohnheiten der Menschen schon reiften kann sich Schneewittchen mittlerweile in eigentlich jedem Land mit einer Jugendfreigabe für alle Altersklassen schmücken. Damals jedoch gab es neben der erwähnten Regelung in England auch zahlreiche Aussagen von Kinderärzten, darunter der bekannte Benjamin Spock, die warnten, dass de Film zahlreiche Albträume auslösen könne. Auch in Südafrika und den Niederlanden gab es ursprünglich bestimmte Beschränkungen, die jedoch aufgrund der Beschwerde der Bewohner dieser Länder wieder aufgehoben wurden. Diese Kritik, Disney sei zu hart und gruselig in der Erzählung der Geschichte, fand ihren Widerspruch in manchen Kritiken, die empfanden man hätte das Märchen zu sehr entschärft. So fehlen die zwei ersten Mordanschläge auf Schneewittchen und die eigentliche Bestrafung der bösen Königin aus der Vorlage.
Stab und weitere Filmangaben
- Regie: David D. Hand
- Buch: Ted Sears, Richard Creedon, Otto Englander, Dick Rickard, Earl Hurd, Merrill De Maris, Dorothy Ann Blank, Webb Smith
- Produktion: Walt Disney
- Musik: Frank Churchill, Leigh Harline und Paul J. Smith
- Kamera: Maxwell Morgan
- Regieassistenten: William Cottrell, Wilfred Jackson, Larry Morey, Perce Pearce und Ben Sharpsteen
- Animatoren: Les Clark ("Silly Song" Sequenz), James Algar (Waldtiere), Shamus Culhane ("Heigh Ho" Sequenz), Ugo D´Orsi, Al Eugster, Norman Ferguson (Böse Königin), Bernard Garbutt, Joe Grant (Charakter Design), Albert Hurter (Charakter Design), Milt Kahl (Waldtiere), Ward Kimball, Eric Larson (Waldtiere), Dick Lundy, Hamilton Luske (Schneewittchen), Robert Martsch, Joshua Meador, Fred Moore (Seppl), Myron Natwick (Prinz), Stan Quackenbush, Wolfgang Reitherman, Bill Roberts, George Rowley, Paul J. Smith, Fred Spencer, Robert Stokes, Frank Thomas (Zwerge), Bill Tytla (Brummbär), Marvin Woodward und Cy Young,
- Hintergrundzeichner: Samuel Armstrong, Claude Coats, Merle Cox, Phil Dike, Ray Lockrem, Mique Nelson und Maurice Noble
- Körpermodell für Schneewittchen: Marge Champion
- Körpermodell für den Prinzen: Louis Hightower
- Länge: 79 Minuten
- FSK: o.A.
US Aufführungen
- 21. Dezember, 1937 (Uraufführung)
- 8. Februar 1938 (US weiter Kinostart)
- 22 Februar 1944
- 13. Februar 1952
- 7. Februar 1958
- 11. Juni 1967
- 20. Dezember 1975
- 15. Juli 1983
- 17. Juli 1987
- 2. Juli 1993
Zusätzliche Informationen
- Schneewittchen und die sieben Zwerge ist der erste Film aller Zeiten, zu dem es ein Soundtrackalbum gab.
- Erstaunt von den enthusiastischen Begeisterung über den Film und dem hohen kommerziellen Erfolg entschied sich die Academy of Motion Picture Arts and Sciences dazu ihn 1939 nachträglich mit einem Oscar zu ehren. Walt Disney bekam den Ehrenoscar (eigentlich ein großer und sieben kleine Oscars) von Kinderstar Shirley Temple überreicht. Außerdem wurde Schneewittchen für den Oscar in der Kategorie "Beste Musik" nominiert.
- Die sieben Zwerge heißen Chef (Doc), Hatschi (Sneezy), Happy (Happy), Schlafmütz (Sleepy), Brummbär (Grumpy), Pimpl (Bashful) und Seppl (Dopey). Es wurden 50 Namen vorgeschlagen.
- Von 100 Leuten können 3 die Namen aller Zwerge aufzählen.
- Zwei weitere Szenen, von denen man heute noch weiß, die aber nie realisiert wurden sollten zeigen wie die böse Königin den Prinzen in ihren Kerkern gefangen hält und mit Magie Skelette zum Tanzen bringt, sowie Schneewittchen, die in einer Traumsequenz mit ihrem Prinzen in den Sternen tanzt.
- Walt Disney führte eine "5 Dollar pro Gag" Regel ein. Jeder, der einen Gag beisteuerte, der im endgültigen Film landete erhielt dafür 5 Dollar zusätzlich. Ward Kimball erhielt 5 Dollar für die Szene, in der die Zwerge mit ihren Knubbelnasen über der Fußkante der Betten auftauchen.
- Der Prinz wurde aus vielen Szenen herausgeschnitten, da die Zeichner in nur schwer animieren konnten.
- Da Disney sämtlichen potentiellen Sprecher für Seppl als zu unpassend abstempelte entschied er sich dazu, ihn einfach stumm zu machen.
- Bei einer der ersten Aufnahmesitzungen empfand man die Stimme der bösen Königin von Lucille La Verne für unpassend. Sie verließ das Studio, kehrte kurz darauf zurück und begeisterte alle. Als sie gefragt wurde, wie sie dies machte sagte sie, dass sie ihre dritten Zähne rausnahm.
- Wolfgang Reitherman brauchte 9 Versuche für den Zauberspiegel. Es funktionierte, nachdem er das Papier faltete und erst eine Hälfte des Gesichts zeichnete, dann die zweite Hälfte. Als er erfuhr, das zahlreiche Spezialeffekte seine Zeichnungen überlagerten war Reitherman sehr enttäuscht darüber.
- Es existieren drei verschiedene deutsche Synchronfassungen des Films. Die erste deutsche Fassung entstand 1938 in Wien, da das damalige Nazi-Deutschland vergeblich versuchte Verhandlungen mit Disney durchzuführen. Die berühmte Theater- und Filmschauspielerin Paula Wessely lieh Schneewittchen die Sprechstimme und "Chef" wurde von Otto Wallburg gesprochen, der 1933 aus Deutschland floh und 11 Jahre später in Auschwitz gestorben ist. Es ist bis heute unbekannt, ob die Synchronfassung in Österreich noch vor dem Krieg öffentlich gezeigt wurde. Am 25. Juni 1948 lief der Film nach dem Krieg im Atlantik-Filmverleih, Wien erstmals regulär in Österreich an. Die bundesdeutsche Erstaufführung erfolgte erst zwei Jahre später am 24. Oktober 1950 in Köln an, und zwar im Verleih der deutschen RKo, Frankfurt/Main. Die Erstsynchronisation wurde Dezember 1957 letztmalig im Verleih der Herzog Filmverleih GmbH, München in der BRD wiederaufgeführt. Für die Wiederaufführung November 1966, nun im Walt Disney Filmverleih 1966 entstand bei Simoton Film GmbH, Berlin die zweite Synchronisation (Buch, Dialogregie und Liedertexte: Eberhard Cronshagen; Musikalische Leitung: Heinrich Riethmüller). In dieser Fassung war Uschi Wolff die Sprechstimme, Susanne Tremper die Gesangsstimme von Schneewittchen, und die Texte dieser Fassung waren gegenüber der ersten Synchronisation deutlich modernisiert, geglättet und "kindgerechter" gestaltet. Die dritte und bislang letzte Synchronisation entstand 1994 für die Erstveröffentlichung des Films auf VHS bei der Berliner Synchron GmbH Wenzel Lüdecke, Berlin (Regie, Buch- und Textbearbeitung: Lutz Riedel). Schneewittchens Part wurde von Manja Döring gesprochen und von Alexandra Wilcke gesungen, die aber nicht an die hohen Töne der 1966 Fassung herankam. Deshalb schnitt man die hohen Töne von Susanne Tremper hinein. Auch der Chorgesang der Zwerge stammt aus der 1966er Fassung. Die ersten zwei Synchronisationen sind heute aus dem Verkehr gezogen und dürfen offiziell nicht mehr verwendet werden.
- Walt Disney fand die Wangen Schneewittchens als unnatürlich. Eine der Koloristinnen nahm eigenes Rouge und trug dies auf die Cels Von Schneewittchen auf. Walt Disney war von dem Ergebnis begeistert.