LTB 36: Rezension

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© Egmont Ehapa
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In diesem Artikel wird das LTB 36 rezensiert. Welche Geschichten erfreuen das Fan-Herz und welche sollte man dem Gemütszustand halber lieber weglassen? Das erfährst du hier! Einen neutralen enzyklopädischen Artikel findest du unter LTB 36.

Jeder kann hier seine persönliche Meinung zu den in LTB 36 erschienenen Geschichten verfassen. Eine Unterschrift unter jedem Kommentar ist erwünscht (einzufügen mit ~~~~). Die Geschichten können mit Highlight Highlight, Gut Gut, Mittelmaß Mittelmaß oder Schlecht Schlecht bewertet werden. Bei der Bewertung sollten Zeichnungen, Plot und Übersetzungen mit einbezogen werden. Eine genaue Anleitung zum Verfassen einer Rezension findest du hier. Viel Spaß!

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Cover[Bearbeiten]

Gut Donald, am Holzpfahl angebunden, bekommt von einem Indianerkind, gehalten von einem älteren Heranwachsenden, ein reizendes Küsschen, das Donald aber eher unangenehm zu sein scheint. Sechs weitere Kinder stehen bereits Schlange. Eine gewisse Dissonanz ergibt sich aus der Freundlichkeit der Indianerschar und der durch die festsitzenden Stricke betonte Gefangenschaft Donalds…

Gegenüber dem übernommenen I Classici-Band gibt es ein anderes Cover. Gestaltet wurde es nach der Vorlage der dritten Geschichte des Bandes von Walter Neugebauer. Der Zeichner, 1921 als Valter Nojgebauer als Sohn deutschstämmiger Eltern im bosnischen Teil des Königreichs Jugoslawien geboren und in Zagreb aufgewachsen, leitete zeitweise ein eigenes Zeichentrick-Studio in der Heimat und arbeitete nach dem Umzug nach Deutschland im Jahr 1955 hauptsächlich für Rolf Kauka. Für Ehapa gestaltete er lediglich Titelbilder. Neugebauer hat hier wirklich gut gezeichnet, ehrlicherweise zeichnet er besser als der junge Bottaro in der Geschichte, auf die sich das Cover bezieht. Gut gefällt mir die durch einen Indianerpfeil aufgespießte Matrosenmütze am Holzpfahl, der nach meinem Geschmack deutlicher als Totempfahl hätte gestaltet werden können. Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)

Rahmengeschichte[Bearbeiten]

Schlecht Der Einstieg ist ziemlich sensationell und verheißungsvoll – Zeitungsjungen rufen die Neuigkeit aus, der Milliardär Dagobert Duck sei „mit einer Truthahnfeder in der Hand bewusstlos aufgefunden“ worden. Es entspinnt sich eine recht wirre Rahmenhandlung, in der am Ende irgendwie auch Oma Ducks Truthahnfarm und die Panzerknacker eine Rolle spielen, die aber die vier Geschichten des Bandes nur äußerst ächzend miteinander verbindet. Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)

Donald und der mysteriöse Mister Moster[Bearbeiten]

„Ich habe Bobo konstruiert, weil ich einen Handlanger brauche. Und für einen Handlanger genügt eine Hand!“ (Mister Moster)

Gut Über ein Fahndungsplakat, das 10.000 Taler dem verspricht, der mithilft einen mysteriösen Verbrecher zu fassen („Bekannt als: Mann ohne Gesicht oder die ungreifbare Hand“), kommt Donald zunächst dessen Opfern auf die Spur: einer Baronin, der eine Perlenkette und falsche Zähne, sowie einem Mr. Smith und einem Chinesen namens Ciao Tse Lin, denen jeweils ein größerer Geldbetrag geraubt wurde. Seltsamerweise taucht das Diebesgut wieder auf, aber zum Beispiel die Taler mit immer derselben Seriennummer. Donald schafft es, bei seiner letzten Station vor der Rückgabe der Wertsachen am Platz zu sein und springt geistesgegenwärtig auf das Dach eines davonfahrenden Autos. Er gelangt so als Gefangener in ein Haus, in dem ein Mister Moster seine Experimente betreibt. Er hat nicht nur die Hand Bobo konstruiert, die für ihn die Verbrechen vollbrachte, sondern auch drei Duplikatoren: Einen für Geldscheine, einen für Gegenstände und einen für lebende Personen. Donald ist nun natürlich Versuchskarnickel, und die Kinder staunen und stöhnen nicht schlecht, als nun gleich zwei despotische, schlechtgelaunte Onkels nach Hause zurückkehren, die genau identisch zu sein scheinen. Daniel Düsentrieb schafft es trotzdem, mittels eines Lügendetektors und eines Wunderwässerchens, das Fälschungen verschwinden lässt, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Zuletzt gehen dem (nunmehr also doppelgängerlosen) Donald noch 25.000 Taler verloren, als er sich weigert, seinem Vetter Gustav bei der Bergung einer Briefträgertasche zu helfen, in dem ein besonders wertvoller Taler steckt, der eigentlich Dagobert hätte zugesandt werden sollen. Da kann man schon mal seinen Kopf gegen einen Baumstamm rammen: „Ich Depp!“...

Schwierige Familienaufstellung in Martina/G.B.Carpis "Der mysteriöse Mister Moster" (© Egmont Ehapa)

In den LTBs wurde nur eine Geschichte des Zeichners Giovan Battista Carpi veröffentlicht, die älter ist („Der verlorene Ziegelstein“ in LTB 69). Der „Mister Moster“ stammt von 1955 und eröffnet somit den Reigen dieses Bandes aus dem Jahr 1975, der einigen Frühwerken der italienischen Disney-Comics gewidmet ist. Ein etwa äquivalenter Micky-Band erschien vier Jahre später (LTB 62). Man merkt Carpi und seinem Szenaristen Guido Martina die diebische Experimentierfreude in der ersten Hälfte der Story an. Donald gerät hier wahrlich in eine Groteske, deren Handlung der ersten Seiten schier nicht wiederzugeben ist. Nur so viel: Sie konstituiert den losen Zusammenhang um die beiden Handlungsstränge rund um die Briefträgertasche zum einen und um die Verbrechen den „mysteriösen Mister Moster“ zum anderen. Die rätselhafte erste Seite rund um die vier Schandtaten der „ungreifbaren Hand“ macht Appetit auf mehr, aber im Grunde ist der ganze erste Teil voller absurdem Humor (z.B. der Besuch bei der Baronin, S. 24-26, und beim Chinesen, S. 32-34). Tja, und dann kippt es halt, so etwa auf S. 49. Der Handlungsfaden irrlichtert jetzt zwar nicht mehr so hin und her (es geht jetzt eindeutig um die Identifizierung und Auslöschung des Doppelgängers), aber begleitet wird das Ganze durch die nahezu unerträglichen Szenen häuslicher Gewalt bei den Ducks, bis sogar beide Donalds mit Messern (!, S. 53) auf die Neffen zustürmen. Die Düsentrieb-Handlung ist dann wieder halbwegs in Ordnung, aber eben auch nicht mehr umwerfend interessant. Vermutlich ist dies übrigens der erste Auftritt Düsentriebs in den italienischen Disney-Comics; sein Aussehen ist noch komplett an dem von Carl Barks in den USA erst drei Jahre zuvor Eingeführten orientiert. Insgesamt ist die Geschichte also ein durchaus ambivalentes Vergnügen – Es überwiegt aber doch das comichistorische Interesse. Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)

Donald und die Krebse in Burgunder[Bearbeiten]

„Huch! Diese Balkanier sind so schrecklich überschwenglich!“ (Dagobert wird von Professor Bratislav abgebusselt)

Highlight Überraschend bekommt Krimi-Fan Donald ein Jobangebot von seinem Onkel Dettmar, dem das Boulevardblatt „Der rasende Kurier“ gehört: Er soll mehr über ein Mitglied des „balkanischen Kochzirkels“ herausbekommen, von dem Dettmar überzeugt ist, dass er kein gewöhnlicher Koch ist. Doch nicht nur er ist an dem Mann interessiert: In einem anderen Teil der Stadt wird zeitgleich seine Entführung geplant. Donald, der seine Zielperson aufmerksam verfolgt, erlebt in einer Konditorei mit, wie sie gekidnappt wird; es gelingen ihm aber noch einige Filmaufnahmen vom Wagen der Entführer. Bereits wenig später ist die Sonderausgabe des „Kuriers“ gedruckt: „Ausländer entführt!“ Als dann bald darauf auch noch eine rätselhafte Löse“geld“forderung eingeht – 500000 Portionen Krebse in Burgunder für die Freilassung des Balkaniers – kommen Donald und die anderen Reporter Dettmars aber nicht weiter, was das Blatt in eine veritable Vertrauens- und Auflagenkrise stürzt. Onkel Dagobert will die Zeitung schon lange haben und drängt in dieser schwierigen Situation seinen Bruder Dettmar zum Verkauf. Tick, Trick und Track, die sich von Dettmar vor seiner Entscheidung 24 Stunden Zeit erbitten, verfolgen andere Spuren und stoßen dabei auf immer mehr Ungereimtheiten. Schließlich werden sie auf einer Großaufnahme aus dem von Donald gedrehten Film fündig: Der Balkanier und seine Entführer lächeln sich an. Die Schlussfolgerung: Die Entführung geschah einvernehmlich, war also fingiert. Zur Auflösung des Falles bitten die Neffen – ganz kurz vor Ablauf der 24 Stunden – Donald, Dettmar und Dagobert in den Filmvorführraum der Zeitung und decken das ganze Geheimnis auf: Bei dem „Entführten“ handelt es sich um Professor Bratislav, den Erfinder einer revolutionären Konservierungsmethode für Krebse in Burgunder. Der Professor wollte gerne emigrieren, aber seine Regierung erlaubte das nicht. Damit seiner Katze in der Heimat nichts passiert, griffen er und sein neuer Arbeitgeber in der neuen Heimat, der an den Koch- und Konservierungskünsten Bratislavs interessiert war, zu der Finte mit der fingierten Entführung und Erpressung. In den Hallen des Fabrikanten drehten Tick, Trick und Track einen Film, der den Urheber der falschen Entführung mit Bratislav zeigt und somit überführt: Es ist Dagobert! Da auch dieser sich wenig hat zu Schulden kommen lassen – denn immerhin half er dem Balkanier nur bei seinem Wunsch zu emigrieren, die Chance mit der Zeitung ergab sich nur nebenbei – kommen alle Protagonisten am Ende zu einem harmonischen Festgelage zusammen…

Der wie die Leser zu diesem Zeitpunkt noch völlig ratlose Zeitungskönig Onkel Dettmar in "Donald und die Krebse in Burgunder" (© Egmont Ehapa)

Der erste von Romano Scarpa sowohl geschriebene als auch gezeichnete Comic erschien Anfang 1956 in zwei Teilen in zwei aufeinanderfolgenden Heften des Topolino, der italienischen „Micky Maus“. Und wenn man in Kenntnis des Autor-Zeichners Scarpa der folgenden Jahre dieses Werk begutachtet, kann man nur sagen: Schon 1956 war bei Scarpa „alles da“: Bild- und Wortwitz, Charaktere, Handlungsführung, Spannung, Raffinement, filmaffine Montagetechniken, sowie die für diesen italienischen Disney-Künstler so typische Empathie. Scarpa hatte sich bereits volle drei Jahre mit dem Skript beschäftigt und es dabei mehrfach überarbeitet, doch der Verlag Mondadori ließ Scarpa zunächst einige Skripte anderer Autoren umsetzen, bevor er mit seiner eigenen Story zum Zuge kam. So ein langer Vorlauf wäre beim späteren Produktionsdruck nicht mehr vorstellbar gewesen, doch man merkt dem Endergebnis „Krebse in Burgunder“ das liebevolle Feilen an Kleinigkeiten heute noch an. Als 1961 ein I Classici-Band den Kriminalfällen der Ducks („I Gialli“ – „die Gelben“ – ist ein italienischer Begriff für Kriminalgeschichten) gewidmet wurde, war der Rückgriff auf diesen Erstling Scarpas eine logische Wahl. Bereits die ersten beiden Seiten (S. 73/74) spielen exquisit und leichtfüßig mit dem damals noch zwielichtigeren Image dieser Form der Unterhaltungsliteratur: Donald „verschlingt“ geradezu, vor Aufregung schwitzend, einen Kriminalroman des Autors „Edgar Spallace“. Doch das ist ihm offensichtlich etwas peinlich, und als seine Neffen aus dem Polizeibericht des „Rasenden Kuriers“ vorlesen, nimmt er selbst instinktiv die „Hände hoch!“, kaschiert das aber, indem er vorgibt, gerade seine Morgengymnastik zu beginnen. Als Erziehungsberechtigter sorgt er sich vorgeblich um das sittliche Wohl seiner Neffen, nimmt ihnen dieses „Revolverblatt“ weg und zerreißt es demonstrativ. Alles Fassade: Er reagiert extrem begeistert, als Onkel Dettmar („eine Schande, daß einer unserer Verwandten so ein Blatt herausgibt“) ihm telefonisch eine Arbeit für diese Zeitung anbietet: „Ich habe schon immer davon geträumt…“ (S. 75) Eine weitere interessante Ebene dieses Werks ergibt sich aus der Spionage-Handlung. Mitten im Kalten Krieg wählt Scarpa als Protagonisten dieses globalpolitischen Konfliktes einen sanften Dissidenten, geradezu einen Künstler am Herd, dem der Hyperkapitalist Dagobert – natürlich „im Einvernehmen mit unserer Regierung“ – bei seinen Ausreiseplänen unter die Arme greift. Man vergleiche diesen Ansatz bei einem italienischen Autor mit Carl Barks, der etwa ein Jahr später mit den „Brutopiern“ eher die menschenunwürdige, kalte und machtbesessene Seite des Kommunismus herausarbeitet und sich damit ganz auf die Seite der eigenen US-amerikanischen Propaganda schlägt. Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)

Einen ausführlichen enzyklopädischen Artikel zum Scarpa-Klassiker „Krebse in Burgunder“ mit einer Fülle weiterer Hintergründe bietet die Duckipedia hier.

Donald beginnt den Spaß an seinen Weidegründen zu verlieren in Martina/Bottaros "Donald und die indianische Erbschaft" (© Egmont Ehapa)

Donald und die indianische Erbschaft[Bearbeiten]

„Verstanden? Man jagt nicht, sondern kauft sich Lebensmittel!“ – „Hugh! Barbarische Sitten!“ (Donald und eines seiner Ziehkinder)

Mittelmaß Donald wird von seinem Onkel Dagobert mit einer Arbeit als Kundschafter für eine neue Eisenbahnlinie beauftragt und erhält dafür 50 Taler Vorschuss. Als er aber eine größere Summe als Trostpreis vom Entenhausener Fernsehen gewinnt und außerdem in eine Erbschaft einwilligt, die ihn in den Besitz von ausgedehnten Weidegebieten bringt, ist dieser Auftrag schnell vergessen. Doch das Blatt wendet sich wiederum schnell: Zur Erbschaft gehört die Verpflichtung, eine Indianersippe von neun Brüdern zu adoptieren, die bereits in Donalds Vorgarten ihre Zelte aufgeschlagen hat. Gemeinsam – Tick, Trick und Track sind natürlich auch mit von der Partie – fährt man in die Weidegebiete, die sich bei näherer Betrachtung als große Enttäuschung entpuppen: Sie befinden sich auf einer extrem schwer zu erklimmenden Bergspitze, und auch mit den dort weidenden Ziegen wird Donald so schwer warm, dass die Brüder langsam beginnen, an ihrem Adoptivvater zu zweifeln. In der Zwischenzeit hat Dagobert einen neuen Kundschafter für sein Bauvorhaben gefunden: Vetter Gustav. Wie der Zufall so spielt, würde die Eisenbahnlinie durch Donalds Berg führen. Im Irrglauben, er würde dort Gold finden, lässt Donald seine „Kinder“ durch den Berg graben. Schließlich überschreibt Donald auch noch die ungeliebte Erbschaft an Gustav, der auch mit den Indianern und ihren Tieren weit besser klarkommt. Nun kann Gustav den Berg samt fertigen Eisenbahntunnel an Dagobert übergeben, außerdem finden sich in den benachbarten Sümpfen noch ergiebige Erdölvorkommen. Donald aber muss mit den Kindern dafür, dass er 50 Taler erhalten hatte, wofür er nie eine Gegenleistung erbrachte, sämtliche Nieten auf den Eisenbahnschienen polieren, dass sie nur so glänzen…

Nun also die Titelstory dieses LTB. Anders als Scarpa war Luciano Bottaro Mitte der 50er Jahre aber noch nicht ganz so weit. Das Skript dieser 1955 entstandenen Geschichte stammt – natürlich – von Guido Martina, und erschöpft sich einerseits in einigen Improvisationen der tragenden Grundidee von der Adoptivvaterschaft Donalds für eine Indianersippe, andererseits in der Durchexerzierung eines typischen „Dagobert beutet Donald aus“-Plots. Es nutzt Donald nichts, dass er doch nun einmal diesen Tunnel gegraben hat bzw. hat graben lassen – die 50 Taler Vorschuss hatte er ja für einen ganz anderen Auftrag erhalten. Der damals noch besonders brachiale Humor Martinas kommt noch besser auf den ersten Seiten zum Ausdruck, auf denen Donald seinen Onkel um die 50 Taler anbettelt und dabei einen total unpassenden Lachanfall hat: „Wenn ich jetzt also verhungere, bist du mein nächster Verwandter und mußt die Beerdigungskosten bezahlen!“ Da ist Scarpa doch um einiges subtiler. Bottaro wiederum hat noch kaum einen eigenen Stil ausgebildet, vor allem fehlen noch seine unverwechselbaren kreativen Bildfindungsideen, für die hier stellvertretend sein „El Cid Pampeador“ von 1959 genannt sei (LTB 58). Doch bereits im Jahr 1957 wird bei Bottaro eine deutliche zeichnerische Steigerung festzustellen sein, so in den beiden Parodien „Donald als Löwenbändiger“ und „Der Schatz des Grafen von Monte Christo“ (beide LTB 55). Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)

Eine für den frühen Chierchini typische waffenstarrende Zuspitzung in "Donald Duck und der große Sarani" (Skript: Guido Martina) (© Egmont Ehapa)

Donald Duck und der große Sarani[Bearbeiten]

„Eine sonderbare Erbschaft!“ (Donald)

Mittelmaß Vor Jahrzehnten ließ Dagobert Duck seinen Kompagnon beim Goldschürfen, den „Roten Tonio“, während eines Indianerüberfalls im Stich. Zuvor hatten die beiden vertraglich vereinbart, ihr Vermögen jetzt, in Zukunft und immerdar zu teilen. Nun wird Dagobert zu einer Testamentseröffnung gebeten. Der Rote Tonio war den Indianern offenbar entkommen und hatte sich als „großer Sarani“ eine neue Existenz als Unternehmer, unter anderem als Eigener des größten Zirkusses der Welt, aufgebaut. Das Testament stellt Dagobert den Zugriff auf einige Milliarden aus dem Vermögen des Verstorbenen in Aussicht. Doch dazu müsse Dagobert in Begleitung des ärmsten und heruntergekommensten Einwohners der Stadt nach Sarani-City in Texas kommen. An diesen Armen zu gelangen, erweist sich als gar nicht so einfach, weil der große Sarani weitere Legate den Armen zugedacht hatte, die dadurch nun schlicht und einfach nicht mehr arm bzw. zum Urlaub am Meer sind. Dagobert gelingt es durch Hartnäckigkeit und Skrupellosigkeit allerdings, seinen Neffen Donald so arm und heruntergekommen zu machen, dass er geeignet ist, die Reise mit ihm anzutreten. Sarani-City erweist sich als wahre Zirkusstadt mit Affen, Clowns, Tigern und Indianern. Schließlich wird der letztgültige Wille des roten Tonio aufgefunden: Anbei liegt der alte Vertrag über die Vermögensteilung – Begünstigter ist der begleitende Arme. Donald begnügt sich aber mit den 1000 Talern, die ihm der Erblasser mit in den Umschlag gesteckt hat, um Anwaltskosten für den vielleicht nötigen Rechtsstreit mit dem „alten Gauner“ bezahlen zu können. Dagobert hat das Nachsehen, Donald macht mit den Kindern entspannte Kanuferien im Indianerreservat…

Nach den ersten Zeichnungen Luciano Bottaros für Disney gibt es als Zugabe noch den ersten Leistungsnachweis Giulio Chierchinis aus dem Jahr 1957. Mit der Stimme der Kritik: Mit Chierchini stand Guido Martina nun ein Zeichner zur Verfügung, der wie kein anderer geeignet war, seine Gewaltphantasien in Bilder umzusetzen. Beim frühen Chierchini haben die Figuren noch von einem Panel aufs andere gar plötzlich Waffen in den Händen – Messer, Schwerter, Morgensterne, Schilde –, welche die Handgreiflichkeiten symbolisieren. Die gewachsene Spannbreite von Erzählansätzen innerhalb der italienischen Entenwelt zeigt sich in der Zahl der Gewaltszenen. Bei Chierchini sind es 40 Panels oder mehr, in denen es zu Handgemenge oder solchem Waffengerassel kommt. In Scarpas „Krebsen in Burgunder“ gibt es nur sechs Panels, in denen sich Figuren überhaupt „körperlich begegnen“ – und nur drei davon können auf Aggressivität im engeren Sinne zurückgeführt werden, wobei eine Szene sogar noch geschwärzt ist (S. 118). Übrig bleiben eigentlich nur Donalds Rauswurf beim „Kurier“ auf S. 76 und Donalds „Angriff“ auf den berühmten Mathematiker auf S. 95. Scarpa und Martina/Chierchini stehen zueinander wie Raffinement gegen Knalleffekt. Doch letzterer Ansatz hat ja durchaus zu Recht auch seinen Platz im Duck-Universum behauptet. Dabei ist ja noch gar nicht die Rede gewesen von der äußersten Gemeinheit Dagoberts gegen seinen Neffen, ihn aus komplett selbstsüchtigen Zwecken sozial vernichten zu wollen. Doch es gehört zu den Vorzügen dieses gelegentlich durchaus interessant gestrickten Plots, dass Dagobert am Ende gestraft und der gebeutelte Donald belohnt wird. Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)

Fazit[Bearbeiten]

Wenn man das italienische I Classici zum Maßstab nimmt, dem dieses LTB zugrunde liegt, dann handelt es sich beim LTB 36 um das älteste überhaupt: Es erschien als I Classici 7 der Prima Serie bereits im Jahr 1961 (LTB 62, das man vom Alter des abgedruckten Materials her als Konkurrenten ansehen könnte, fußt hingegen bereits auf einer Neuauflage aus der Seconda Serie). Interessant, dass der Ehapa-Verlag nach einigen Jahren der Verwendung neuerer Bände plötzlich wieder auf einen Oldie zurückgriff, bevor bis Band 50 wieder die jeweils aktuellste oder fast aktuellste italienische Ausgabe bearbeitet wurde. Dieser editionsgeschichtliche Zusammenhang wird durch das eigens in Deutschland angefertigte Titelbild von Walter Neugebauer etwas verdeckt. Die Zusammenstellung des Bandes ist spektakulär: Der älteste Bottaro, der älteste Chierchini, der zweitälteste Carpi, und vor allem natürlich der erste Auftritt des legendären Autorenzeichners Romano Scarpa. Die Qualität also sehr wechselhaft, als Blick in die Schatzkiste der Frühzeit italienischer Comic-Kunst aber extrem aufschlussreich. Hobrowili (Diskussion) 06:47, 3. Jul. 2024 (CEST)