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LTB 37: Rezension

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© Egmont Ehapa
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In diesem Artikel wird das LTB 37 rezensiert. Welche Geschichten erfreuen das Fan-Herz und welche sollte man dem Gemütszustand halber lieber weglassen? Das erfährst du hier! Einen neutralen enzyklopädischen Artikel findest du unter LTB 37.

Jeder kann hier seine persönliche Meinung zu den in LTB 37 erschienenen Geschichten verfassen. Eine Unterschrift unter jedem Kommentar ist erwünscht (einzufügen mit ~~~~). Die Geschichten können mit Highlight Highlight, Gut Gut, Mittelmaß Mittelmaß oder Schlecht Schlecht bewertet werden. Bei der Bewertung sollten Zeichnungen, Plot und Übersetzungen mit einbezogen werden. Eine genaue Anleitung zum Verfassen einer Rezension findest du hier. Viel Spaß!

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Cover

Highlight Dagobert, inmitten seiner Taler, trägt ein farblich und stofflich geradezu waghalsiges Kostüm, das wohl an einen italienischen Kaufmann der Frühen Neuzeit erinnern soll. In der Rechten hält er eine erhobene Schreibfeder. Auch der entrückte, wenn auch muntere Gesichtsausdruck lässt die Profession in das Revier des Literaten hinüberlappen, wofür auch die Überschrift der in der Linken gehaltenen Schriftrolle spricht: „Gesammelte Werke“, darunter allerdings wieder Bruchstücke einer kaufmännischen Bilanzrechnung. Rechts unten allerdings zündet einer der Großneffen, in einem Pagen-Outfit, gerade die Schriftrolle an einer Ecke mit einer Kerze an. Dass sie Feuer fängt, wird von dem (von sich? von seinen Gewinnen? von seiner Kunst?) begeisterten Dagobert nicht bemerkt…

Ich mag ja solche historisierenden Cover generell ziemlich gern, doch dieses ist Giovan Battista Carpi in Gestaltung und Komposition besonders gut gelungen. Ich mag den knallrosa Hintergrund mit der gelben Schrift, den übertrieben voluminösen Hut Dagoberts, das authentische, am Gürtel baumelnde Geldsäckchen sowie die Haltung des tückischen Neffen, die mich an manche Darstellung von Waffenträgern aus der Frühneuzeit erinnert. Auch dass das Motiv in einer feinen Schwebe zwischen Händler- und Literatentum verbleibt, finde ich zumindest interessant, aber nicht zu irritierend. Ich schaue hier mal gnädig über die Farbexplosion und den Umstand hinweg, dass die Motivation des Großneffen für seine „Tat“ zumindest fragwürdig bleibt. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Rahmengeschichte

Gut Dagobert bekommt jenen Verdienstorden der Stadt Entenhausen zugesprochen, den in der ersten Geschichte zunächst noch Klaas Klever verliehen bekommen hatte. Die mittleren drei, durch Tick, Trick und Track erzählten Geschichten dienen ihnen dazu, ihrem Großonkel darzulegen, dass er keineswegs ein Wohltäter für seine Heimatstadt ist, sondern im Gegenteil immer nur an sich denkt und daran, wie er sich bereichern kann. Das lässt der Gescholtene nicht auf sich sitzen und spendiert Entenhausen, kaum aus Schottland (siehe letzte Geschichte) zurückgekehrt, ein neues Krankenhaus, eine neue Leihbibliothek, Sozialwohnungen für die Ärmsten der Stadt sowie ein neues Sportzentrum…

Womit auch noch kunstvoll die Verbindung zu der gescheiterten Kleverschen Museumsstiftung in der ersten Geschichte geschlagen wird! Gian Giacomo Dalmasso gelingt mit Marco Rota das, woran er mit Giuseppe Perego eigentlich stets scheiterte: Die Rahmengeschichte in den Dienst der zu verbindenden Geschichten zu stellen, diesen damit eine weitere Dimension zu verleihen und in ihrem Gehalt eher zu stärken. Mit 22 Seiten nimmt die Handlung, indem sie auf das Notwendige und Sinnvolle reduziert ist, auch nicht viel Raum ein. Sauber! Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Klaas Klever geht Onkel Dagobert aufs Trommelfell in Martina/Scarpas "Das fliegende Drachenboot" (© Egmont Ehapa)

Das fliegende Drachenboot

„Also, etwas, was fährt, schwimmt oder treibt!“ – „Ja, vorausgesetzt, es ist keine Makrele! Die stinken!“ (Klaas Klever und der Bürgermeister betreiben – endlich – die Inneneinrichtung eines Schifffahrtsmuseums)

Gut Zur Eröffnung seines spendierten Schifffahrtsmuseums erhält Klaas Klever zum größten Ärger von Onkel Dagobert – die Verdienstmedaille der Stadt Entenhausen. Doch dann die Überraschung: Das Museum ist leer – es enthält keine Exponate! Daran hatte „der Hampelmann“ (Dagobert über Klever) einfach nicht gedacht. Er muss, gedemütigt durch Dagobert und den Bürgermeister, der ihm den Orden wieder aberkennt, zunächst das Feld räumen. Doch einige Tage später erhält Dagobert von seinem Kontrahenten eine Ansichtskarte aus Oslo. Die Ducks setzen sich ebenfalls dorthin in Bewegung, werden aber von Erich „dem Wikinger“, einem Handlanger Klevers, in einem vermeintlichen Hotel eingesperrt. Ihnen gelingt es zu fliehen und sich in einem nach Entenhausen abgehenden Frachtflugzeug zu verstecken. Der Pilot entpuppt sich als Klaas Klever. Er ist dabei, ein in handliche Kisten verpacktes, zuvor von Erich in Oslo gestohlenes Drachenboot der alten Wikinger nach Entenhausen zu schaffen. Im allgemeinen Handgemenge stürzt das Flugzeug auf einer einsamen Insel im weiten Ozean ab. Klever, bewaffnet, verdonnert die Ducks dazu, das Boot aus den Kisten zusammenzumontieren. Tick, Trick und Track bauen jedoch Fehler in die Konstruktion ein, sodass Klever, der sich entgegen seinem Versprechen allein davonmacht, nicht weit kommt und zurückschwimmen muss. Nun leiten die Kinder den Bau eines Floßes, mit dem alle fünf nach Entenhausen zurücksegeln. Dort vermarktet Dagobert das Gefährt geschickt als „sagenumwobenes Pazifik-Floß“ Duck-Tiki…

Na ja: Die Motive der „Flucht aus dem Gefängnis“ und des „Entkommens von der einsamen Insel“ sind ja in LTB-Comics schon zuvor so sagenhaft oft durchgekaut worden, dass kaum noch neue Momente gelingen. Auch die Szenen des Familienstreits der Ducks (S. 20-27) sind eher langweilig. Und doch gibt es einige gelungene Gags (etwa wenn sich offenbart, dass in Erichs dicken Fäustlingen nicht nur seine Hände, sondern gleich auch seine Pistolen stecken) und mit dem Einsatz der Rußpistole der Kinder ein klug gestreutes Leitmotiv. Besonders hoch her geht es auf den ersten knapp elf Seiten, wobei die Zweckentfremdung der Musikinstrumente der Festkapelle durch Klever und Dagobert besonderen Spaß macht: ein hervorragendes Beispiel für die fließend-dynamische, auch perspektivisch abwechslungsreiche Panel-Gestaltung Romano Scarpas! Martina wiederum findet in seinem Skript einen wirklich überraschenden und trotzdem folgerichtigen Schlussakkord. Als Plus der Geschichte lassen sich außerdem die lässig konzipierten und gekonnt umgesetzten Norwegen-Klischees (inklusive Pulli) verbuchen. Insgesamt also doch noch ein ansehnlicher Martina/Scarpa mit Höhen im Detail und Tiefen im etwas zu routinierten, bausatzartigen Plot. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Goldrausch

„Aber im Moment hab‘ ich andere Sachen im Kopf als den doofen Taler! Hier winkt Gold! Viel Gold!“ (Gundel Gaukeley)

Mittelmaß Gundel Gaukeley findet in einem Geheimfach ihrer alten Kommode den Hinweis, dass in einem Fluss, der Elektron heiße, Seifengold zu finden sei, das heißt eine silberhaltige Goldlegierung. Doch weiter kommt sie nicht, weswegen sie die Information Dagobert zuspielt, der mit Hilfe von Primus herausbekommt, dass der Fluss „El Elek Tron“ im Vorderen Orient gemeint sein müsse. Die Ducks brechen dorthin auf, Gundel folgt in verschiedenen Verwandlungen. Vor Ort ist Dagobert gezwungen, dem dort residierenden Scheich das längst versiegte Flussbett abzukaufen. Als die Kinder im Fels Gold finden und alles zur Sprengung vorbereitet ist, tritt Gundel, die zuletzt in der Gestalt eines Aasgeiers hinter den Ducks her war, in Aktion. Im Kampf um den Kaufvertrag wird aus Versehen die Sprengung ausgelöst, der Fluss ergießt sich wieder in sein Bett, das Gold ist verloren (warum eigentlich?). Dagobert plant nun um und gründet, wie so oft in Ausbeutung der Arbeitskraft seines Neffen Donald, eine Apfelplantage, wie sie die dort vor Jahrhunderten schon einmal ertragreich war…

Apropos Routine: Die war auch immer gehörig im Spiel, wenn sich die Autoren Abramo und Giampaolo Barosso ihrer Lieblingsprotagonistin, Gundel Gaukeley, widmeten. Und da sich auch Luciano Gatto als beliebter, aber sehr berechenbarer Zeichner von Gundel-Geschichten anderer Autoren hervortat, ist in „Goldrausch“ (später wiedererkennbarer: „Der Seifengold-Fluss“) die Überraschungslosigkeit quasi vorprogrammiert. Vor allem die beiden letzten Verwandlungen Gundels in dieser Geschichte, das fette Touristenschwein und der Aasgeier, brachten mich zudem auf den Gedanken, dass Carl Barks seiner Magica de Spell ja ein durchaus verführerisches, ja sogar erotisches Äußeres und Auftreten gegeben hatte, und wie sehr sich die spröde Gundel italienischer Autoren diesbezüglich von der ursprünglichen Schöpfung entfernte: Obwohl oder gerade weil Barks seine Magica de Spell als am Fuße des Vesuvs lebende Italienerin konzipiert hatte. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Onkel Dagobert hat einen ganz schlechten Einfall in Cimino/Bordinis "Eustachische Röhren oder Reinfall mit Pauken und Trompeten" (© Egmont Ehapa)

Eustachische Röhren oder Reinfall mit Pauken und Trompeten

„Ich bin auch ein Dussel, warum hab‘ ich nur immer die guten Ideen?“ (Donald)

Mittelmaß Beim Talerwienern im neuen Geldspeicher ihres Onkels, der auf den Fundamenten einer Burg aufgebaut ist, stoßen Donald und Tick, Trick und Track auf ein Geheimverlies, in dem Dagobert offenbar Experimente betreibt. Besonders einige Blechblasinstrumente, die alle der Länge nach aufgeschlitzt sind, irritieren. Dagobert reagiert seltsam, als die Neffen ihm später einen Ausschnitt aus der Zeitung über ein Trompetenkonzert in der Stadt vorlesen – der begnadete Künstler spielt auf einem einmaligen Instrument, das vom berühmten Trompetenbauer Eustachius im 16. Jahrhundert geschaffen wurde. In der Nacht greift Dagobert zu Mantel, Hut, Schreckschussgewehr und Geldscheinen, dringt in die Künstlergarderobe ein und schnackt dem Musiker so sein Instrument ab. Wieder schlitzt er die Trompete der Länge nach auf und findet: nichts!... Er ist verzweifelt und weiht Donald und die Kinder ein: In einem der Instrumente müsste ein Plan zu finden sein, der ihm den Weg zu einer gigantischen Perle weist. Er meint alle Trompeten aufgespürt zu haben, doch offenbar sind ihm drei Posaunen entgangen. Die Ducks finden sie auf den Inseln El Posaun und El Trommel – aber schon wieder nichts! Gerade als Dagobert bereit ist zuzugeben, dass er „die Schlacht um die schwarze Perle“ verloren hat, erleiden die Ducks Schiffbruch auf der „Gehörgang-Insel“. Dort findet sich ein Fels, der von den Einheimischen in die Form eines Ohres gemeißelt wurde. Schlagartig wird Dagobert klar: „Eustachische Röhren“ sind auch Teile des Innenohrs und seine Quellen bezogen sich darauf! In der Tat findet er die Perle, verliert sie aber gleich wieder, als sie, während sie in einen Kampf mit einem Bären verwickelt sind, den Abhang hinunterkugelt… Zurück in Entenhausen lässt Dagobert seinen Frust an einem unschuldigen Trompetenhändler aus…

Das ist sooooo schade für Giorgio Bordini, der selten so nahe dran war, dem gewohnten zeichnerischen Mittelmaß zu entfliehen: Spleeniger Titel und verrätseltes Splashpanel machen total Appetit auf mehr, und auch in der Folge entspinnt sich ja ein ziemlich interessanter und skurriler Plot, der unverkennbar von Rodolfo Cimino stammt. Doch dann macht das labbrige Ende ganz viel, was zuvor aufgebaut wurde, wieder zunichte. Wieso sollte Dagobert, nachdem er bereits Millionen aufgewendet und sein Leben riskiert hat, nun nur lapidar schluchzen: „In eine Felsspalte gerollt! Auf ewig verloren! Mir bricht das Herz!“ (S. 138)? Leider haben ja sehr, sehr viele Geschichten von Cimino genau dieses Problem, nicht gut zu Ende erzählt zu sein. Sehr viel, aber statthafte dichterische Freiheit nimmt sich Cimino, indem er diesen Trompetenbauer Eustachius erfindet. Tatsächlich lebte im 16. Jahrhundert ein italienischer Wissenschaftler namens Bartolomäus Eustachius, doch der machte nicht in Musik, sondern in Anatomie, und ist der Entdecker der heute noch nach ihm benannten Teile des Gehörgangs. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Erwacht aus schönen Träumen von Cimino/M. De Vitas "Zaubergarten" (© Egmont Ehapa)

Der Zaubergarten

„Der sieht vielleicht aus!“ (Donald trifft den Nagel auf den Kopf, was die „Armfüßler“ angeht)

Gut Onkel Dagobert lässt sich auf einer Expedition auf der Suche nach Bodenschätzen von Donald und den Kindern begleiten. Die Sprengungen zu Bodenuntersuchungen nerven zwar, doch der Fortschritt ist eben nicht aufzuhalten. Da finden die Arbeiter ein seltsames Metallprisma. Hat es etwas damit zu tun, dass bald darauf Dagobert scheinbar spurlos verschwindet?... Tatsächlich finden die Neffen ihn bald darauf in diesem Prisma, aus einem seligen Schlaf erwachend. Im Traum war ihm die Blütezeit des grünen Tales mit goldenen Felsbrocken wiedererstanden. Ein Elektronengehirn spuckt die ganze Geschichte aus: Im Tal lebte einst das Volk der „Armfüßler“ unter ihrem König Armin. Als deren Kultur durch ein Erdbeben, gefolgt von einer Hitze- und Dürrewelle, zerstört wurde, habe sich das Volk in eine Grotte geflüchtet, in der sich heute noch ein Schatzgarten befinden soll. Natürlich machen sich die Ducks sogleich auf Schatzsuche, nicht ohne dass Dagobert zuvor noch seinem Chefingenieur Anweisung gegeben hätte, mit den Bohrungen planmäßig fortzufahren. Über die Lösung mancher Rätsel finden und das Bestehen mancher Gefahren gelangen sie in den tief unter der Erde verborgenen Zaubergarten, an allen Bäumen, in den Blüten und selbst am „Himmel“ funkeln Brillanten und Türkise. Doch sie stoßen auch auf viele weitere dieser Prismen, die bewohnt sind, und zwar durch die Wächter des Zaubergartens, schlafende und nun zum Ungemach der Ducks geweckte Armfüßler, furchteinflößende Gestalten, die keine Sprache haben, die Ducks einsperren und einem ewigen Schlaf zu überantworten vorhaben – Fluchtversuche zwecklos! Da ertönt ein unheilvolles Rumpeln über ihnen – es sind diese fortgesetzten Bohrungen, die die Armfüßler ein neuerliches Erdbeben befürchten und zurück in ihre Prismen fliehen lassen. Bei der Sprengung wird der Zaubergarten völlig verschüttet, die Ducks gerade eben so lebend geborgen. Gerettet wird lediglich eines der Prismen, aus der Dagobert im heimischen Geldspeicher seine neue Bettstatt macht…

Im Grunde ist das eine ähnlich faszinierende Geschichte wie die vorhergehende. Doch es verkneift sich Cimino hier die Schwächen am Ende; die gleichlautende Botschaft, dass es keinen Versuch mehr wert wäre, den verlorenen Schatz wiederzuerlangen, wird glaubhafter und erzählerisch strukturierter rübergebracht. Auch sind die Zeichnungen selbst des noch unausgereiften Massimo De Vita, speziell die des edelsteinbehangenen Schatzgartens, atmosphärischer als die Bordinis. Es sind auch die Motive und der Bau des Plots noch einen Tic interessanter. Diese Armfüßler sorgen für einen wirklich beachtlichen Thrill, die Verbindung ihres Fluchtgrundes – des Erdbebens – mit den Bohrungen durch Dagoberts Unternehmen bereitet Cimino vorausschauend vor. Neben dem Abenteuer- ist auch das Fantasy-Element her deutlich konturiert und genrestimmig. Ob der Fund dieses geheimnisvollen Prismas in unwirtlicher Landschaft ein wenig von dem Monolithen aus Stanley Kubricks zwei Jahre zuvor erschienenen Science-Fiction-Klassikers „2001 – Odyssee im Weltraum“ abgespickt ist? Wäre ja nicht die schlechteste Referenz. Alles in allem ein relativ kreativer und inspirierter Comic, dem aber der Mut fehlt, die Schöpferkraft auch mal etwas überfließen und gestalterisch von der Leine zu lassen. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Flirt mit der politischen Realität britisch-französischer Infrastrukturprojekte in Martina/Scarpas "Der Tunnel unter dem Ärmelkanal" (© Egmont Ehapa)

Der Tunnel unter dem Ärmelkanal

„Wolltest du etwas sagen, Donald, mein Erbe?“ (Onkel Dagobert)

Gut Klaas Klever ist neuer Eigentümer der Entenhausener Wasserversorgungsbetriebe und verlangt nun von Dagobert fünf statt vier Kreuzer pro Kubikmeter Wasser. Diese Preissteigerung will die reichste Ente der Welt natürlich nicht auf sich sitzen lassen und errichtet mit Düsentriebs Hilfe auf einer ihm gehörenden Insel vor Entenhausen, um von seinem Konkurrenten unabhängig zu werden, eine Entsalzungsanlage. Vergeblich versucht Klever vor Gericht glaubhaft zu machen, die Insel habe nicht Dagoberts schottischer Vorfahre MacDuck, sondern sein eigener, MacClever, ansässigen Indianern abgekauft: Seine Beweise sind gefälscht. Allerdings wird auch Dagobert dazu verdonnert nachzuweisen, dass er die Insel rechtmäßig besitzt. Dazu muss er nach Schottland in das Schloss seiner Ahnen, wo sich diese Besitzurkunde befindet. Dazu wiederum muss er über den Ärmelkanal, und das macht ihm Klaas Klever unmöglich, indem er sein Flugzeug zum Abdrehen und Absturz zwingt und alle weiteren möglichen Transportmittel an der französischen Küste und sogar die Fährgesellschaft aufkauft. Sogar auf die Eventualität, dass die Ducks versuchen könnten, zu Fuß am Meeresgrund die Meerenge zu passieren, bereitet er sich vor. Schließlich landet Dagobert den ganz großen Wurf, gegen den Klever nichts ausrichten kann: In Kooperation mit dem französischen und dem britischen Staat und natürlich Düsentrieb errichtet er einen Tunnel unter dem Ärmelkanal, wobei er ganz nebenbei das Hauptproblem löst, an dem alle Kanalprojekte bisher gescheitert waren: die Belüftung. Eskortiert von Regierungsfahrzeugen gelangt Dagobert nun ins Schloss seiner Ahnen. Klever folgt zwar auf dem Fuße, doch wird von Dagobert gestellt. Die fragliche Büffelhaut, auf welcher die Indianer ihre Dokumente niederzulegen pflegten, ist bald gefunden, und abzüglich seiner Unkosten verbleibt Dagobert ein satter Gewinn, weil er für den Kanalbetrieb auf 99 Jahre eine Gebühr für die aus den Luftfiltern ausströmende gefilterte Luft ausgehandelt hatte…

Die sehr italienische Perspektive von Martina/Scarpa lässt den Weg über den Kanal (ital. „La Manica“) als einzige Möglichkeit für die Ducks erscheinen, auf die britischen Inseln zu gelangen, obwohl auch für sie ihre Heimat offenbar in Amerika zu verorten ist – jedenfalls wurden Dagoberts Vorfahr die Insel vor Entenhausen ja von Indianern verkauft. Dieser kleine Fauxpas sei ebenso verziehen wie die Tatsache, dass die Scharmützel zwischen Dagobert und Donald wie so häufig bei Martina mal wieder eine viel zu große Rolle spielen und die Geschichte in ihrer Seitenzahl fast unnötig aufblähen. Seit dem frühen 19. Jahrhundert hatte es immer wieder Pläne für den Bau eines Tunnels unter dem Ärmelkanal gegeben. Bevor Martina/Scarpa diese Geschichte 1970 realisierten, muss das Thema immer wieder in den Medien aufgeploppt sein; wirklich gebaut und in Betrieb genommen wurde der Kanal dann zwischen 1987 und 1993. Die Grundidee, dass sein Bau dem Starrsinn Dagoberts entspringt, nicht einen Kreuzer mehr für das Grundelement des Lebens ausgeben zu wollen, ist pfiffig und wird dem Titel des Bandes „Ehrlich spart am längsten“ großartig gerecht. Ich musste bei dem Plot an Jules Vernes Roman „Keraban der Starrkopf“ denken (nur sozusagen umgekehrt), in dem der Protagonist, statt eine kleine Steuer zum Übersetzen über den Bosporus zu entrichten, mit seiner Kutsche das Schwarze Meer umrundet. Auch jemand, der unbedingt in die Ahnengalerie Dagoberts gehören würde. Die vier Anwälte Klevers – Kräh Großvater, Kräh Vater, Kräh Sohn, Kräh Neffe – sind in ihren synchronen Gebärden einprägsame Nebenfiguren und gewiss als Satire auf diesen juristischen Berufszweig, bei dem die Profession ja häufig in der Familie bleibt (bzw. unbedingt zu bleiben hat), zu interpretieren. Insgesamt ist „Der Tunnel unter dem Ärmelkanal“ kein gigantischer, aber ein flotter Schlusspunkt für diesen schönen Band. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)

Fazit

Je mehr ich mich wieder eingelesen habe, desto mehr ist dieser Band in meinem Ansehen gestiegen. In der Mitte gibt es zwei interessante von Cimino geschriebene Abenteuer mit Fantasy-Einschlag, eingerahmt von zwei Martina/Scarpas, die durch ihre eindeutige geographische Verortung in Europa (Norwegen und der Ärmelkanal) irgendwie zusammengehörig wirken. Auch die Rahmenhandlung tut das ihre dazu bei, dass es sich bei diesem Band um eine insgesamt runde Sache handelt. Hobrowili (Diskussion) 11:42, 19. Aug. 2024 (CEST)